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In eigener Sache

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Auch wenn einige von uns das optimistischer sehen, die Gefahr eines großen Krieges ist noch nicht vorĂŒber. Die Debatten ĂŒber einen „Plan B“ seitens der USA und die Einsatzregeln der NATO-Marine im Mittelmeer belegen das ebenso wie der erneut zunehmende Beschuss im Donbass. Und auch die Propaganda in den hiesigen Massenmedien legt eher noch einen Gang zu.

Dieser Blog ist in den letzten anderthalb Jahren fĂŒr viele Menschen zu einer wichtigen Informationsquelle geworden. Wir bemĂŒhen uns, Dokumente, Reden, Videos zugĂ€nglich zu machen, die eine andere Sicht ermöglichen und die hiesige Propaganda durchschaubar zu machen. Die meisten von Euch sind wie ich selbst ĂŒber den Krieg im Donbass dazu gebracht worden, sich genauer mit der aktuellen Kriegspolitik auseinanderzusetzen.

Wir sind uns alle einig in der Ablehnung der ukrainischen Faschisten. Aber ich denke, es gibt noch mehr Punkte, die wir miteinander gemein haben – eine tiefe Abscheu vor einem Zustand, in dem das VerhĂ€ltnis der Nationen zueinander von Unterwerfung, AusplĂŒnderung und Zerstörung beherrscht wird. Es ist mir auch niemand aufgefallen, der es begrĂŒĂŸen wĂŒrde, wenn die USA als die augenblicklich dominante Macht von einer anderen abgelöst wĂŒrden, die sich genauso verhĂ€lt. Internationale Beziehungen, die von Respekt und Gleichheit geprĂ€gt sind und die Möglichkeit fĂŒr alle Menschen, ĂŒber ihr Leben selbst zu bestimmen und nicht den Interessen von Banken und Konzernen ausgeliefert zu sein, auch das teilen zumindest die Meisten von uns, gleich, wie sich das als politische Überzeugung manifestiert. Und den Wunsch, der finsteren Entwicklung zu widerstehen.

Es ist nicht ĂŒberraschend, dass es Angriffe gibt. Seit dem Maidan wird hier bei uns kontinuierlich versucht, alles, was der Kriegspolitik widersteht, in die rechte Ecke zu stellen. Das begann mit der Denunziation des Widerstands im Donbass als „russische Faschisten“ und setzte sich weiter fort in den Debatten um die Friedensbewegung und die sogenannte „Querfront“. Von der kontinuierlichen Abqualifizierung jeder von der Regierungslinie abweichenden Information als „russische Propaganda“ und der Menschen, die sie verbreiten, als „Putintrolle“ nicht zu reden.

JĂŒngst wurde mir gar unterstellt, ich wĂŒrde Ansichten von Pegida und AfD teilen oder gar fördern – nur, weil ich nicht jeden, der Sympathien in diese Richtung Ă€ußert, gleich mit dem Etikett „Faschist“ versehe und in den Keller schleife. Aber fĂŒr die Debatte auf diesem Blog sollte es nicht mehr Anforderungen geben als eine Einhaltung der Regeln. Der Mensch ist ein Wesen, das lernen und sich entwickeln kann, nach diesem Grundsatz möchte ich mit anderen umgehen. Dass dieser Grundsatz wichtig und richtig ist, lĂ€sst sich auch mit Lesern dieses Blogs bekannten Beispielen belegen. Ruslan Kotsaba, der ukrainische Journalist, der mittlerweile seit ĂŒber einem Jahr in Haft ist, weil er gegen die Einberufung fĂŒr den BĂŒrgerkrieg gesprochen hatte (und ĂŒber den damals die Tagesschau aufs Übelste herfiel), war ursprĂŒnglich ein AnhĂ€nger des Maidan. Vor wenigen Tagen hatten wir das Video ĂŒber Tschetschenien auf der Seite, das von ehemaligen Daesh-AnhĂ€ngern berichtet, die dort in den Schulen AufklĂ€rungsarbeit machen.

NatĂŒrlich will ich keinen Kommentarbereich, der von Werbung fĂŒr die oben genannten Organisationen dominiert wird. Aber die Bereitschaft, miteinander zu sprechen, ist nicht mehr als die Anerkennung der QualitĂ€t, Mensch zu sein, und wenn dies allein schon zu Angriffen fĂŒhrt (und bei einem großen Teil der „Querfront“-Debatte ging es nicht um mehr als das), zeigt das nur, wie dehumanisiert unsere politische Landschaft bereits ist.

Wie jede Form von Propaganda arbeiten auch diese Angriffe mit massiven Verzerrungen. Ein kleines Beispiel (es ist nicht wichtig, woher es stammt) – auf diesem Blog gab es, zu meinem Artikel „Aus der MĂ€delsecke“, folgenden Kommentar:

„Es ist so furchtbar, dass ich Schmerzen im Kopf bekomme.
Aufgrund meiner ganzen Lebensgeschichte war/bin ich ein Freund von Migranten, da ich weiss, was es bedeuten muss, seine Heimat aufzugeben. Was mich schmerzt ist, dass ich damit aufhören muss und dass man die Dinge beim Namen nennen muss. Gerade, wenn es von ‘Oben” gedeckelt wird. Die Bevölkerung ist SEHR empört, nicht nur wegen Lisa. Sie ist unruhig und sie sieht, was vorgeht. In unserem Dorf wurden ĂŒber Nacht 500 Schwarze angesiedelt. Aus Somalia, Eritrea und Maghreb, soweit ich das beurteilen kann. Magere Gestalten. Magere Menschen, die einsam, arm sind. Alles soweit klar. Sie treten nur in Gruppen auf. Auch das verstĂ€ndlich.
Sie stehen an den Einkaufsmaerkten herum, denn sie dĂŒrfen tagsĂŒber nicht im Zimmer bleiben. Sie werden ganz verrĂŒckt, wenn sie sehen, was die Deutschen da alles aus dem Markt raustragen. Nicht fĂŒr sie. Sie können sich pro Nase höchstens 6 Bier leisten. Und nun kippt die Geschichte. Sie lachen ĂŒber die Deutschen. Sie machen sich lustig und 
 werden frech. Sie fragen, ob sie die HĂ€lfte des Einkaufswagens haben koennten, sie seien ja 20 Leute. Natuerlich fragen sie das nicht einen unserer stĂ€mmigen Bauern. Nein, sie fragen das Frauen, die allein am Parkplatz ihr Auto beladen wollen.
Was tut die Frau? Wird sie gross diskutieren und denen sagen, was Sache ist? Mitnichten. Sie wird verĂ€ngstigt sein und sich im Auto verbarrikadieren. Sie wird es zuhause erzĂ€hlen und die Stimmung gegenĂŒber Migranten wird sich verdunkeln..Da brauchts noch nichtmal eine Vergewaltigung, oder sexuelle Anmache.
Es ist nur so, dass die Stimmung inzwischen soweit ist, dass, wenn etwas passiert sich sehr wohl einige MĂ€nner zusammentun und etwas ungnĂ€dig reagieren. Wohlwissend, dass dann sie der Mob sind und sie Nazis genannt werden. Keiner von denen ist ĂŒbrigens Nazi. Ist aufgrund der VorfĂ€lle mehr Polizei prĂ€sent ? Nein! Man wolle nicht ‘durch PrĂ€senz provozieren’ und ‘im Vorfeld unbewiesene Schuldzuweisungen aussprechen’. So der OTon der Polizei, die nicht in unserer Gemeinde stationiert ist, denn wir haben keine Polizei. Die Gemeinde, die auch polizeilich fĂŒr uns verantwortlich wĂ€re, ‘habe erheblich grössere Probleme’ 

Ich kann momentan nicht stringent beweisen, dass das Alles gewollt ist, von Oben, von Eliten, von wem auch immer.
Viele von Euch glauben das zu wissen. Mir fehlt das Argument, der Beweis. Aber, dass es einem zunehmend unwohler wird. Das seh ich nicht nur an mir sondern Vielen.
Es lĂ€uft etwas total falsch. Wieder werden Kleine gegen die (noch) Kleineren gehetzt.“

Die hervorgehobenen Teile lassen schon erkennen, was daraus gemacht wurde – dieses Zitat:

„”In unserem Dorf wurden ĂŒber Nacht 500 Schwarze angesiedelt. Aus Somalia, Eritrea und Maghreb, soweit ich das beurteilen kann. (
) Sie machen sich lustig und 
 werden frech. (..) einige MĂ€nner zusammentun und etwas ungnĂ€dig reagieren. Wohlwissend, dass dann sie der Mob sind und sie Nazis genannt werden. Keiner von denen ist ĂŒbrigens Nazi.”

Diese Aussage hat mit dem ursprĂŒnglichen Text nichts mehr zu tun. Aber mit solcher Demagogie muss man mittlerweile rechnen.

Schwierig wird das, weil natĂŒrlich das, was im Donbass, aber auch, was bei uns geschieht, Zorn, Wut und Empörung auslöst. Mit gutem Recht. Niemand, der etwa die Bilder aus dem Gewerkschaftshaus von Odessa gesehen hat, bleibt frei von Zorn. Die LĂŒgen, die tagtĂ€glich serviert werden, sind ekelerregend. Die Art und Weise, wie auch hier inzwischen Menschen aufeinander gehetzt werden, als mĂŒsste man ihnen jeden friedlichen Gedanken austreiben, schafft ebensoviel Verwirrung wie Wut. Und dennoch ist es nötig, diese GefĂŒhle zu zĂŒgeln. Nicht nur, weil es ein Risiko fĂŒr dieses Informationsmedium darstellt. Sondern auch, weil genau das ein wichtiger Akt des Widerstehens ist.

In meinem Text „Die dunkle Seite“ habe ich beschrieben, dass der Kampf gegen Faschismus immer auch ein Ringen um die eigene HumanitĂ€t ist. Weil sie diesen Kampf ebenso fĂŒhren wie jenen im SchĂŒtzengraben, haben die beiden Volksrepubliken und ihre Truppen unsere Hochachtung. Die Auseinandersetzung, die wir hier fĂŒhren mĂŒssen, die eigene Menschlichkeit zu behalten, ist (zumindest vorerst) nur ein schwacher Schatten dessen, was sie dort zu bewĂ€ltigen haben. Denoch ist es nötig, dieser Frage Aufmerksamkeit zu schenken und sich nicht von den eigenen GefĂŒhlen verleiten zu lassen, selbst wenn sie legitim sind. Wirklicher Widerstand erfordert innere Disziplin. Wenn die Herrschenden daran arbeiten, Haß zu sĂ€en, muss man zurĂŒcktreten und sich an das eigene MitgefĂŒhl erinnern.

Im Augenblick geht es dabei hier vor allem um Worte. Dieser Blog war immer ein Ort fĂŒr eine offene Diskussion, und das soll er auch bleiben. Und es geht nicht um „political correctness“ – die nur darauf abzielt, bestimmte Aussagen zu tabuisieren, gleich, ob Gedanken und Handlungen im Mindesten human sind. Es geht um Menschlichkeit. Es geht nicht darum, ob Fantasien ĂŒber den Gebrauch der Laternen oder die Verwendung von Worten wie „Dreckskanaken“ böse sind; es geht darum, dass sie schwĂ€chen. Sie schwĂ€chen nicht nur die Sicherheit dieses Blogs, sie schwĂ€chen die Kraft jedes und jeder Einzelnen, zu widerstehen. Das ist der innere Zwilling des Krieges, der im Äußeren tobt, die zweite Front, und wenn es gelingen soll, nicht in der Barbarei zu versinken, dann muss er gefĂŒhrt werden. Bei den Milizen im Donbass wird selbst der Gebrauch von Schimpfworten sanktioniert. Genau aus diesem Grund.

Es ist gelungen, auch dank der Moderation durch Russophilus, diesen Blog weitgehend frei zu halten von wechselseitigen Beschimpfungen und Angriffen. Wer sich viel im Internet bewegt, weiß, wie schwierig die BewĂ€ltigung allein dieser Aufgabe ist. Virtuelle Kommunikation entgleitet viel leichter als ein GesprĂ€ch, bei dem man sich in die Augen blickt. Das ist nicht geschehen, und viele Menschen mit unterschiedlichen Ausgangspositionen gehen hier einigermaßen zivilisiert miteinander um.

Dennoch sind in letzter Zeit Aussagen gefallen, die den nötigen Humanismus vermissen lassen und beispielsweise FlĂŒchtlinge in Summe als Kriminelle darstellen. Das ist genauso wenig wahr wie das Gegenteil; sie sind Getriebene, nicht Treibende, und der Gegner dieses Blogs sind jene, die Menschen als Manövriermasse missbrauchen, um daraus Profit zu saugen, nicht jene, die zu Objekten dieses Handelns werden. Es war Grundlage des Kommentarbereichs, keine rassistischen oder gar faschistischen Aussagen zuzulassen.

Nun zeigt die Beobachtung, dass Regeln, die fĂŒr solche Bereiche gesetzt werden, immer wieder einmal im Laufe der Zeit aufgeweicht werden; das geschieht auf allen Blogs, die ich kenne. Wenn das geschieht, muss man eine Bremse ziehen und danach die Debatte eine Zeit lang genauer kontrollieren. Üblicherweise hat sich das Problem dann zumindest fĂŒr die nĂ€chsten Monate erledigt.

Doch wĂ€hrend um uns herum die Krisen immer weiter eskalieren und auf unterschiedlichste Weise GrĂ€ben gezogen und falsche Fronten eröffnet werden, zwischen Ost und West oder zwischen den Armen und den noch Ärmeren, ist es nötig, dass wir uns darauf einstellen, dass dieser innere Kampf schwerer wird. Vielleicht ist es ja möglich, sich wechselseitig zu stĂŒtzen. Einander ohne VorwĂŒrfe oder Etikettierungen daran zu gemahnen, wenn die Grenzen der HumanitĂ€t ĂŒberschritten werden. Denn es ist nicht einfach, wenn um einen herum tĂ€glich die Kriegstrommeln gerĂŒhrt werden. Und diese Auseinandersetzung kann keine Moderation stellvertretend fĂŒhren, das geht nur miteinander, wenn keiner mit seiner SchwĂ€che allein ist.

Das war es, worum ich Euch bitten wollte. Und es wĂ€re schön und Ă€usserst nĂŒtzlich, wenn wir noch in anderer Hinsicht „aufrĂŒsten“ könnten, sprich, wenn sich weitere Freiwillige fĂ€nden, sowohl fĂŒr Übersetzungen als auch fĂŒr die Moderation. Sollte sich bestĂ€tigen, was sich augenblicklich abzeichnet, und beispielsweise die Lage im Donbass wieder brenzlig werden, wird das nötig sein.

Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, mich aus den Diskussionen weitgehend rauszuhalten, wĂ€re ich bei dieser gerne dabei, von Anfang an. Weil ich aber am Wochenende unterwegs bin, und weil eine solche Nachdenkpause sinnvoll ist, halte ich die Kommentarfunktion vorĂŒbergehend an. Dann wird es ab Sonntag Abend eine Zeit lang etwas langsamer, weil ich selbst freischalte, bis ein Moderatoren-Team steht. Und ich bin jetzt schon neugierig auf den Verlauf der Diskussion.

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Vom Reden und Denken

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Vorab eine kurze Darstellung der jĂŒngsten Ereignisse: es gab Angriffe gegen mich, bis hin zu einem Parteitagsantrag auf Ausschluss, mit der BegrĂŒndung, ich habe rassistische Kommentare geduldet und das schade der Partei


Nun war dieser Blog aber kein Parteiblog und wird auch keiner werden. Ich habe Texte zu verschiedenen Themen verfasst, die meine Meinung wiedergeben, habe Videos untertitelt, andere Texte ĂŒbersetzt. Die einzige Verbindung zwischen meiner TĂ€tigkeit auf diesem Blog und meiner TĂ€tigkeit in der Partei besteht in mir selbst und meinen Überzeugungen.

Dieser Blog hat eine Kommentarfunktion. Rechtlich gesehen bin ich zwar fĂŒr die Kommentare verantwortlich, aber nur insoweit, dass keine strafrechtlich relevanten Dinge geĂ€ußert werden.

Nun, was sind Kommentare? Sie sind eine geĂ€ußerte Meinung. Wenn jemand schreiben sollte, „ich wĂŒrde meine Nachbarin am liebsten erwĂŒrgen“, so ist das eine Meinung. Das besagt nicht, dass genau das auch getan wird. NatĂŒrlich gibt es Kommentare, die mir die ZehennĂ€gel hochrollen. Ich gehe auch nicht davon aus, dass meine Texte jedem gefallen. Aber wir bewegen uns im Reich der Worte, und zwar nur der Worte, nicht im Reich des Handelns. Wer Worte wie Taten behandelt, etabliert die Kategorie des „Gedankenverbrechens“.

Ich kann keinen Vorwurf daraus machen, wenn jemand etwas schreibt, was ich fĂŒr falsch halte. Ich halte das Konkurrenzdenken, das diese Gesellschaft prĂ€gt, fĂŒr falsch. Aber es ist ein Denken, das durch diese Gesellschaft erzeugt wird. Dieser Tatsache muss ich mich stellen. Eine Welt, in der einige wenige LĂ€nder den Rest des Planeten unterwerfen und ausbeuten, erzeugt zwangslĂ€ufig ein Denken, das die Menschen in wertvollere und weniger wertvolle unterteilt. Ganz zu schweigen davon, dass eine solche Weltsicht noch auf vielfĂ€ltigste Art und Weise in den Medien serviert wird. Soll ich dann jemanden als Schuldigen behandeln, weil er das wiedergibt, was diese Gesellschaft durchdringt und als gĂŒltige Wahrheit in Schulen vermittelt wird? Die Regierung dieses Landes arbeitet mit großer Energie daran, die Deutschen und die FlĂŒchtlinge aufeinander zu hetzen. Ein neueres Beispiel war erst diese Schmierenkomödie zwischen Gabriel und Merkel, die mit Merkels Antwort endete, man könne leider die soziale Lage hier nicht verbessern, der Haushalt mĂŒsse ausgeglichen bleiben
 Wenn diese zynische Strategie bei jemand verfĂ€ngt, auf wen sollte ich dann meinen Zorn richten? Auf diese Person oder auf diese hetzerische Politik?

Ich finde es albern, so zu tun, als wĂŒrden Sprechverbote irgend etwas verĂ€ndern. Das Erfolgreichste, was von der Frauenbewegung der 70er ĂŒbrig blieb, waren Sprechverbote. Es gibt jetzt ganz viele Texte, die weibliche Formen gebrauchen; aber daran, dass Frauen nach wie vor deutlich weniger verdienen als MĂ€nner, hat sich nicht ein Jota geĂ€ndert. Es gibt weniger sexistische Witze (oder sie werden weniger in Gegenwart von Frauen erzĂ€hlt), aber Alleinerziehende sind heute Ă€rmer, als sie es vor zwanzig Jahren waren. Wie sieht sie also aus, die Bilanz? NĂŒchtern gesagt, beschissen.

Wenn ich eingreifen wĂŒrde und alles löschen, was nicht „passt“, dann könnte ich mir nicht nur den Kommentarbereich schenken; dann wĂ€re rein gar nichts an Erkenntnis gewonnen. Ich hĂ€tte ein HĂ€keldeckchen ĂŒber die Wirklichkeit gelegt. Da stellt sich die simple Frage – wem nĂŒtzt das? Rosa Luxemburg zitierte oft einen Satz von Lasalle: „Die revolutionĂ€re Tat ist stets, auszusprechen, was ist.“ Das ist fĂŒr mich die Maßgabe fĂŒr das, was ich schreibe. Dann sollte das auch die Maßgabe fĂŒr den Umgang mit dem Kommentarbereich sein.

Es gab den Vorwurf, ich wĂŒrde rechten Positionen „ein Forum bieten“. Als wĂ€re das dafĂŒr irgendwie erforderlich. DafĂŒr gibt es die BILD und hunderte anderer Massenmedien. Menschen, die diesen Blog lesen und auf ihm kommentieren, sind zumindest einen nicht ganz unerheblichen Schritt weiter. Sie stehen nicht hinter der Kriegspolitik. Das sollte man als Erkenntnis respektieren. Und mit Anstand miteinander umgehen, auch wenn man völlig unterschiedlicher Meinung ist. Die Reaktion vieler Linker gleicht leider oft der berĂŒhmten Szene aus dem „Leben des Brian“ – „Er hat Jehova gesagt, er hat Jehova gesagt!“ Und dann erfolgt die pfeilschnelle Flucht in die Kuschelecke.

Wie soll man also mit Menschen umgehen, die auf der Suche nach Erkenntnis sind (und nichts Anderes kann ein Blog im besten Falle sein, als ein Werkzeug der Erkenntnis) – sie vorsortieren in genehme und weniger genehme, und einige davon von vorneherein zurĂŒckweisen?

Nein, es gibt keinen anderen Weg als zuzuhören und miteinander zu sprechen. Und vorschnelle Verurteilungen zu lassen. So wurde das im Kommentarbereich dieses Blogs praktiziert, und so wird das auch bleiben. Übrigens bleibt die Moderation in der Verantwortung des bewĂ€hrten Russophilus.

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Hakenkreuz im Europaparlament

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Schnell noch zwei Videos.

Das erste ist von Anatolij Scharij. Im EuropĂ€ischen Parlament gibt es eine Ausstellung mit Fotos ukrainischer “Helden”; einen davon hat er genauer unter die Lupe genommen; eine Tasse mit Hakenkreuz ist noch das harmloseste der FundstĂŒcke
 aber es gibt ja keine Nazis in der Ukraine.

Das zweite Video dient vor allem der Dokumentation, weil mittlerweile schon getönt wird, die Waffenruhe in Syrien wĂŒrde von Russland gebrochen. In dieser Pressekonferenz des russischen Verteidigungsministeriums vom 27.02. wird genau aufgezĂ€hlt, an welchen Orten und mit wem bereits Vereinbarungen ĂŒber eine Waffenruhe geschlossen wurden und wie die vereinbarte Vorgehensweise bei VerstĂ¶ĂŸen aussieht. Die heute in der Presse verbreiteten Beschwerden kamen von Fußtruppen der Saudis und aus Frankreich. Wer diesem Video zuhört, wird erstaunt feststellen, dass beide an den Strukturen zur ÜberprĂŒfung der Waffenruhe gar nicht beteiligt sind. Es ist immer gut, solche Details zu kennen.

P.S.: Man sollte wirklich nicht um drei Uhr morgens Videos verlinken. Jetzt ist es bei beiden wirklich die Version mit deutschen Untertiteln


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Die einundzwanzigste Woche des russischen MilitÀreinsatzes in Syrien: die Ruhe vor dem Sturm?

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vom Saker

Week twenty-one of the Russian military intervention in Syria: the calm before the storm?

Die Waffenruhe in Syrien (die nicht wirklich eine Waffenruhe ist, sondern eher eine „Konzentration der Kampfhandlungen“) hĂ€lt ĂŒberraschend gut. Das ist vor allem der brillanten Taktik geschuldet, jede der kĂ€mpfenden Truppen in Syrien zu zwingen, sich selbst als entweder „gute moderate“ zu definieren und Sicherheit garantiert zu bekommen, oder als „böse terroristische“, und ein unstrittig legitimes Ziel zu werden, das jedermann ins Visier nehmen kann. De jure sind die einzigen, die legal irgendjemanden in Syrien angreifen können, nur die Russen und die Syrer, alle anderen, die US-gefĂŒhrte Koalition eingeschlossen, befindet sich dort völlig illegal, aber de facto erkennt die letzte Übereinkunft auch das Recht aller Parteien an, die „bösen Terroristen“ anzugreifen. Indem jede Gruppe gezwungen wird, sich selbst zu definieren, haben die Russen den eher wahnhaften VorwĂŒrfen, sie wĂŒrden die „guten Terroristen“ bombardieren, jede GlaubwĂŒrdigkeit genommen, und diese Kategorie ist im Grunde aus dem Konflikt verschwunden. Und um es ehrlich und völlig offen zu sagen, die USA wurden gewzungen, die russische Definition eines Terroristen als „jeder, der gegen die syrische Regierung kĂ€mpft“ zu akzeptieren. Ja, ich weiß, sie haben nie einer solchen Formulierung zugestimmt, aber da jene, die bis jetzt gekĂ€mpft haben, in eine „gute“ und eine „böse“ Opposition gegen die syrische Regierung geteilt wurden, und da jetzt die „gute Opposition“ den Waffenstillstand/die Waffenruhe akzeptiert, bedeutet das, dass all jene, die gegen die Regierung kĂ€mpfen, allein dadurch „böse“ sind. Daher ist jeder, der gegen die syrische Regierung zu den Waffen greift, „böse“, und ein legitimes Ziel völliger Auslöschung. QED.

FĂŒr die Amerikaner muss es das Schlimmste gewesen sein, sehenden Auges in diese konzeptionelle Falle getanzt zu sein, aber nichts dagegen tun zu können. Sie wußten, dass ihre einzige Chance, eine demĂŒtigende militĂ€rische Niederlage im Feld zu vermeiden, darin bestand, sie mirakulöserweise in eine „Waffenruhe“ zu verwandeln, auf die irgendeine Art vagen „Übergangs“ folgt. Also ja, sie hassen dieses Ergebnis, aber das andere war noch schlimmer. Außerdem haben einige FunktionĂ€re zweifelsfrei begriffen, dass die amerikanische Politik in Syrien völlig irre war und an eine Art dissoziative IdentitĂ€tsstörung grenzte, in der verschiedene Dienste nicht wussten, was die anderen taten und sich in manchen FĂ€llen buchstĂ€blich vor Ort Gefechte lieferten. Weiter auf einem solch absolut verrĂŒckten Kurs zu bestehen, hĂ€tte das Risiko eines grĂ¶ĂŸeren Krieges mit Russland bedeutet, etwas, was weder die EuropĂ€er noch ein großer Teil des (nicht-Neocon) tiefen Staates der USA wirklich wollte. WĂ€hrend wir also berechtigterweise unsere Verachtung ĂŒber den Schwachsinn der Politik der Obama-Administration in Syrien ergießen können, sollten wir immer daran denken, dass es schlimmer hĂ€tte sein können (man stelle sich nur Hillary im Weißen Haus vor!). Die USA haben recht daran getan, vom Rand des Abgrunds zurĂŒckzutreten.

Und es ist nicht gerade so, als sollten wir vor Dankbarkeit ĂŒberfließen. Zum ersten haben die USA dieses Elend angerichtet, und zweitens ist es nicht gerade so, als hĂ€tten sie jetzt ihren Verstand völlig wiedererlangt. Die USA schĂ€umen nicht nur ĂŒber ihre DemĂŒtigung durch Russland, sondern jetzt wollen einige ewiggestrige Neocons Assad, Russland und den Iran fĂŒr Kriegsverbrechen in Syrien vor Gericht stellen! Dieser Unsinn ist das unmittelbare Ergebnis dieser einzigartigen amerikanischen Mischung aus GrĂ¶ĂŸenwahn und hilflosem Zorn auf Russland, und, genau genommen, die ganze Welt. Wie ein Kind, dem man sagt, dass es ein Spielzeug nicht bekommt, und das es dann zerbricht. Auch wenn ich nie die Möglichkeit wirklich rĂŒcksichtslosen Handelns durch die USA abtun wĂŒrde, die Hauptgefahr kommt heute, wie zuvor schon, nicht aus den USA, sondern aus der giftigen und explosiven Kombo TĂŒrkei/Saudi-Arabien.

Ankara und Riad zeigen alle Anzeichen, nichts Gutes im Schilde zu fĂŒhren. Sie bleiben nicht nur bei ihrer kriegerischen Rhetorik, sie spielen auch allerlei höchst gefĂ€hrliche militĂ€rische Spiele: in einer Demonstration völliger Verantwortungs- und RĂŒcksichtslosigkeit hat Saudi-Arabien Berichten zufolge 150 000 Soldaten fĂŒr etwas zusammengeholt, was die Saudis die „zweitgrĂ¶ĂŸte militĂ€rische Ansammlung seit Desert Storm“ nennen. Andere Quellen (hier und hier) sprechen von bis zu 350 000 Soldaten (an diesen Manövern nehmen offiziell jetzt 20 LĂ€nder teil). Die Saudis haben auch vier F-15S auf den LuftwaffenstĂŒtzpunkt Incirlik in der TĂŒrkei verlegt. Das ist nicht viel, aber es könnte nur eine „Stolperdrahttruppe“ sein, die, sollte sie angegriffen werden, den Einsatz einer weit grĂ¶ĂŸeren und einigermaßen modernen saudischen Luftwaffe (ungefĂ€hr 300 Kampfflugzeuge, 5 AWACS und 5 Luftbetankungsflieger) rechtfertigen könnte. Nimmt man noch die tĂŒrkische Luftwaffe hinzu (etwa 250 Kampfflieger, 4 AWACS und 7 Luftbetankungsflieger), und ihr seht, dass die Bedrohung fĂŒr die kleine russische Luft-Raum-Einsatzgruppe (50 Kampfflieger) sehr real ist, selbst wenn die russischen Piloten und ihre Flugzeuge allem, was die TĂŒrken oder die Saudis haben, weit ĂŒberlegen sind. Die Iraner fĂŒhlen sich ebenfalls bedroht und warnen vor einer Invasion in Syrien.

Also wie groß ist diese tĂŒrkisch-saudiarabische Bedrohung wirklich?

Das hÀngt von euren Annahmen ab.

Wenn ihr annehmt, dass die TĂŒrken und die Saudis rationaler Akteure sind, dann ist die Bedrohung nicht so groß. Zum einen sind, selbst wenn diese „Wahabi-Koalition“ eine Menge Luftwaffe mitbringt, ihre Bodentruppen weit von der Kampfzone entfernt und ihnen geht ab, was sie brĂ€uchten, um sich den syrisch/iranisch/Hisbollah-Truppen im Feld zu stellen. Und da Luftwaffe allein keinen Krieg gewinnen kann, ist die einzige Bodentruppe, auf die sich die TĂŒrken und die Saudis verlassen können, Daesh. Ganz und gar keine gute Wahl, weder militĂ€risch noch politisch.

Wenn ihr jedoch annehmt, dass die TĂŒrken und die Saudis „durchgeknallt“ sind und aus Frustration ĂŒber ihr Scheitern, Assad zu stĂŒrzen und die Kontrolle ĂŒber Syrien zu ĂŒbernehmen, um sich schlagen, dann können sie mit Sicherheit einen direkten Konflikt mit Russland herbeifĂŒhren: da die kleine russische Truppe in Syrien sich gegen einen derart großen Gegner nicht selbst schĂŒtzen kann, hĂ€tte Russland keine andere Wahl als seine LangstreckenfĂ€higkeiten (Luft-Raum-KrĂ€fte, gelenkte und ungelenkte Raketen) ins Spiel zu bringen. Noch mehr, Russland mĂŒsste gegen die TĂŒrken und die Saudis losschlagen, die von LuftwaffenstĂŒtzpunkten operieren, die sie mit den USA (CENTCOM) und der NATO in der TĂŒrkei und in Saudi-Arabien teilen. Im Falle eines solch dreisten saudi-tĂŒrkischen Angriffs auf die russischen KrĂ€fte wĂŒrde ich voll und ganz erwarten, dass russische MiG-31 (möglicherweise vom Iran aus) gegen feindliche Flieger vorgehen. Am Ende des Tages werden weder der Iran noch Russland es zulassen, dass die Wahabis Syrien ĂŒberrennen, und daher sollten sich die TĂŒrken und die Saudis fragen, ob sie wirklich einen Krieg gegen Russland, den Iran, Syrien und die Hisbollah wollen, insbesondere, einen Krieg, in dem sowohl Russland als auch der Iran gegen ihre StreitkrĂ€fte im Heimatland und die sie unterstĂŒtzenden Infrastruktur schlagen können und auch werden?

Ein weitaus wahrscheinlicheres Szenario ist, dass die USA, die TĂŒrkei und Saudi-Arabien versuchen, irgendeinen Weg zu finden, um Daesh zu retten und irgendein „syrisches Wahabistan“ zu schnitzen, das dazu dienen kann, Syrien in der absehbaren Zukunft schwach zu halten und bluten zu lassen. Das ist erkennbar die Option, die auch die Israelis vorziehen: Syrien in ein de facto syrisches Kurdistan in Norden, ein Wahabistan im Osten und eine sĂ€kulare syrische Republik entlang der MittelmeerkĂŒste zerbrechen. Dass all dies in völligem Widerspruch zu den Entscheidungen des UN-Sicherheitsrats steht, scheint jene, die jetzt solche Optionen in ErwĂ€gung ziehen, nicht sonderlich zu kĂŒmmern.

Es scheint, wir befinden uns in der sprichwörtlichen „Ruhe vor dem Sturm“, und dass der Krieg in Syrien bald mit möglicherweise grĂ¶ĂŸerer IntensitĂ€t als zuvor wieder aufflammt.

Der Saker

P.S.: Anscheinend ist der tĂŒrkische Premierminister Ahmet Davutoglu jetzt nach Teheran gereist, um mit seinem iranischen Gegenpart zu sprechen. Gut. Bei Gott, mögen die Iraner den tĂŒrkischen Regierenden ein wenig Vernunft in die Köpfe hĂ€mmern.

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Donezk: Die fröhliche Siedlung – Hier tanzt man mit dem Tod

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Mark Bartalmai

Mark hat uns erlaubt, seinen neuesten Bericht zu ĂŒbernehmen. Er lebt seit ĂŒber einem Jahr dort und hat ĂŒber den Krieg im Donbass einen durch Spenden finanzierten Dokumentarfilm gedreht, “Ukrainian Agony – Der verschwiegene Krieg“. Er berichtet auf seiner Webseite immer wieder aktuell aus Donezk.

Das kleine dreckig-weiße BĂŒndel springt wie aufgezogen hin und her und gibt sich allergrĂ¶ĂŸte MĂŒhe, seinem Stimmchen einen bedrohlichen Klang zu verleihen. Doch das Bellen ist zu piepsig. Es klingt wie in einem Zeichentrickfilm fĂŒr Kinder. Der kleine Hund hat seine Aufgabe sehr wohl verstanden – dieses GrundstĂŒck und das Haus zu beschĂŒtzen – aber aus seinen Augen spricht die pure Angst. Als ich die Kamera auf ihn richte, flĂŒchtet er in seine HĂŒtte, ohne das Bellen einzustellen.

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Zwischen Angst und PflichtgefĂŒhl. Er “beschĂŒtzt” 


Das GrundstĂŒck ist ein TrĂŒmmerfeld, das Haus nicht mehr als eine Ruine. Der kleine KlĂ€ffer beschĂŒtzt tote Steine – in zweifacher Hinsicht. Die ArtillerieeinschlĂ€ge haben deutliche Spuren hinterlassen. Wohnen kann hier niemand mehr. Eigentlich. Und doch gibt es immer noch mehr als 30 Familien, die hier ausharren. Die meisten sind zu alt, um zu gehen. Aber das ist es nicht allein. Alle hier WOLLEN einfach nicht gehen.


 wo es eigentlich nichts mehr zu “beschĂŒtzen” gibt.

“Hier” – das ist der Ă€ußerste nordwestliche Stadtrand von Donezk, nur ein paar Fußminuten entfernt von Peski. Dort steht massenweise schwere ukrainische Artillerie. “Hier” – das ist die direkte Kontaktlinie beider Seiten, gleich neben dem Gerippe von Flughafen. “Hier” – das ist das Ende der Welt, so scheint es. Der Vorort von Donezk heißt “Die fröhliche Siedlung” (“Wesjolyj posjolok”/â€Đ’Đ”ŃŃ‘Đ»Ń‹Đč ĐżĐŸŃŃ‘Đ»ĐŸĐș”).

Wir sind hier, um Material fĂŒr unseren zweiten Film “Frontstadt” ĂŒber die Situation im Donbass zu drehen. Wir wollen zeigen, wie Menschen hier leben – zu denen wir ĂŒbrigens eigentlich auch gehören, denn wir wohnen fĂŒr die Film- und Fotoarbeit in Donezk. Ganz normal, wie alle anderen auch. Was wir in der “fröhlichen Siedlung” vorfinden, ist Alltag fĂŒr uns, aber noch immer nicht fĂŒr das Fernsehpublikum und die Zeitungsleser der westlichen Massenmedien. Unser erster Film trug den Untertitel “Der verschwiegene Krieg”.

Es gibt kein Haus, das nicht betroffen ist. 80% der HĂ€user sind unbewohnbar und abrissreif.

Es hat sich nichts geĂ€ndert. Seit der Farce von Minsk II ist die Artillerie nicht ein StĂŒck leiser und das Schweigen der Medien dafĂŒr umso lauter. Dieser Krieg darf nicht stattfinden in den Wohnzimmern und Köpfen der westlichen Zivilisation, deren Regierungen die lĂ€ngst gescheiterten Herrschaften in Kiew weiterhin mit russophobem Trommelwirbel und vor allem mit Geld unterstĂŒtzen. Geld, das zu einem erheblichen Teil auf Offshore-Konten der Kiewer Regierenden und der noch ungestörter agierenden ukrainischen Oligarchen landet oder eben in diesen Krieg gegen das eigene Volk gesteckt wird. Das Volk, das sie absurder weise aus Kiew ohne Löhne, Renten, Lebensmittel lassen – dafĂŒr aber Granaten schicken – von dem sie aber behaupten, es gehöre zur Ukraine. Oder geht es doch nur um das Land?

VollstÀndige Wirtschaftsblockade. Das einzige, was Kiew schickt, sind Truppen und Granaten.

Unsere Splitterschutzwesten liegen bequem im Kofferraum. Wir haben sie nicht angezogen. Zu lange sind wir schon unter diesen UmstĂ€nden unterwegs, zu unbequem, die schweren Teile. Wir drehen in der “fröhlichen Siedlung” und machen dabei unsere Entdeckungen – erwartete und erstaunliche. Auf einem Feld an einem malerischen TĂŒmpel versuche ich erfolglos, einen Kommentar zu sprechen. Als wir durch den SpĂ€twinterdreck wieder zum Feldweg vor den HĂ€usern stolpern, hĂ€lt ein Fahrzeug an. Der Fahrer kurbelt die Scheibe herunter, grĂŒĂŸt freundlich und bemerkt:”Ich wollte nur sagen, da könnten Minen liegen. Schönen Tag noch.”. Nun, gut zu wissen.

Die Frau, die auf einem der zerstörten GrundstĂŒcke lebt heißt Vita. Ins Haus geht sie nicht mehr. Sie “wohnt” in einer Art Unterstand daneben. Es ist ein ehemaliger Stall, dessen Dach von einer löchrigen blauen Plane bedeckt ist. Sie hebt sich im Wind von den verkohlten StĂŒtzbalken. “Ich lebe doch einfach nur hier,” sagt sie. Das einzige, was sie noch nutzt am Haus, ist der Keller. Wenn der Beschuss zu nah ist.

Wenn Bilder sprechen – Die Granaten der letzten Nacht 

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Auf Brot-Tour

Ein weißes Auto hĂ€lt an. Zwei MĂ€nner steigen aus und wir fragen, was sie hier tun. “Brot verteilen”, lautet die Antwort. Es sind zwei Rentner aus der Gegend, die regelmĂ€ĂŸig Brot aus dem Hilfszentrum holen und unter den verbliebenen Einwohnern der Siedlung verteilen, die nicht selbst die weite Strecke in die Stadt fahren können. Mehrmals pro Woche machen sie diese Brot-Tour. Freiwillig und ohne Bezahlung. Sie selbst wohnen in Sichtweite der ukrainischen Stellungen am Rand zu Peski. Wir begleiten sie ein StĂŒck auf ihrer Tour und lassen uns dabei erzĂ€hlen, wie das Leben hier so ist. Sie und ihre Familien zeichnen ein Bild der Situation, das die Kontraste zwischen Grauen und Lebensfreude stark hervortreten lĂ€sst.

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Schwierigkeiten beim WÀsche aufhÀngen

Wir gehen zu Fuß weiter. Die bisherige Stille des Tages wird von einer Explosion zerrissen. Artillerie. Ich bereue fĂŒr einen kurzen Moment, dass die Splitterschutzwesten im Kofferraum liegen. Aber die Menschen hier, mit denen wir reden, haben auch keine Westen. Nach der Explosion wieder Stille. Einige dieser EinschlĂ€ge machten einer alten Frau in der Vergangenheit “schon öfter Schwierigkeiten beim WĂ€sche aufhĂ€ngen”. Die Druckwelle schleuderte sie durch ihren Garten. Mehr als einmal, erzĂ€hlt sie uns.

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“Ich bin alt, aber nicht verletzt. Trotzdem macht der Krieg das Leben schwerer. Wie beim WĂ€sche aufhĂ€ngen.”, sagt sie. Ob sich seit Minsk II etwas verĂ€ndert hat, will ich wissen. Sie weiß nicht, was “Minsk II” bedeutet. Ohne Telefon, Fernseher und Zeitung weiß sie ĂŒberhaupt nicht, was vor sich geht. Sie weiß nur, dass sie bombardiert wird – warum, ist ihr völlig schleierhaft. Zwei MĂ€nner von der Volkswehr gehen an uns vorbei. Sie zeigt auf sie und sagt:”Aber die Jungs beschĂŒtzen mich. Und sie grĂŒĂŸen immer freundlich.”

“Sie grĂŒĂŸen immer freundlich.”

Wo ihre Familie ist, fragen wir.

“Meine Kinder sind in Kiew, aber ich möchte dort nicht hin. Die Wohnung ist zu klein, da hĂ€tten wir nicht alle Platz”, antwortet sie. Ihr Pragmatismus jenseits von Politik und Ideologien ist entwaffnend.

Der Krieg hat Gefallen gefunden an diesem Ort. Er will einfach nicht mehr gehen.

Das Gebiet, in dem wir uns bewegen befindet sich seit Beginn der KĂ€mpfe anhaltend unter Beschuss. Die Front verlĂ€uft hier seit fast 2 Jahren. Die “fröhliche Siedlung” ist nur noch ein Schatten. Es gibt kein Haus, das nicht betroffen ist. 80% der HĂ€user sind unbewohnbar und abrissreif. Selbst vor Orten mit besonderer Bedeutung wird nicht halt gemacht. Obwohl sich uns die Frage stellt, ob es bei der Zerstörung von Leben und Land wertvollere und weniger wertvollere Orte gibt. Manchmal lĂ€sst es uns aber doch anders erschaudern.

Die Toten auf diesem Friedhof sind bereits tot. Man kann sie nicht noch mehr töten. (Iversky Frauen Kloster Donezk / Đ”ĐŸĐœĐ”Ń†ĐșĐžĐč ИĐČДрсĐșĐžĐč ĐŒĐŸĐœĐ°ŃŃ‚Ń‹Ń€ŃŒ)

Das Iversky Frauen Kloster ( Đ”ĐŸĐœĐ”Ń†ĐșĐžĐč ИĐČДрсĐșĐžĐč ĐŒĐŸĐœĐ°ŃŃ‚Ń‹Ń€ŃŒ) und sein Friedhof sind solch ein Ort. Nachdem die Schwestern bereits 2014 evakuiert wurden, erlitt dieser Ort schwerste Zerstörungen durch die dauerhafte Bombardierung der ukrainischen Armee wĂ€hrend der KĂ€mpfe um den Flughafen Donezk im Januar 2015. Beim Anblick bleibt nur der Gedanke:’Die Toten dort sind schon tot. Man kann sie nicht noch mehr töten. Aber so, wie es dort aussieht, wird es wohl immer noch versucht.’

“Ich kenne dich noch, da warst du klein.”
“Du bist schön geworden, MĂ€dchen. Ich kenne dich noch, da warst du klein.”, sagt er.

Die Brot-Tour hĂ€lt vor einem weiteren demolierten Haus an der Straße. Ein alter Mann steht davor und nimmt seine Ration in Empfang. Er schaut meine Begleiterin Nelja an und sagt:”Du bist schön geworden, MĂ€dchen. Ich kenne dich noch, da warst du klein.” Die Grenzen zwischen Erinnerung und Einbildung verwischen. Die Menschen können sich nicht vorstellen, dass sich jemand außerhalb des Donbass noch fĂŒr sie interessiert. Sie sind abgeschnitten vom Rest der Welt und ihr einziger regelmĂ€ĂŸiger Besuch sind die beiden Rentner aus der Nachbarschaft auf ihrer “Brot-Tour”. Journalisten, gar westliche, waren nie hier und kommen nicht hierher.

Nelja lĂ€chelt etwas verlegen. Sie stammt aus Sankt Petersburg, nicht aus Donezk. Schon gar nicht aus dieser “fröhlichen Siedlung”.

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Nelja beim Drehen.

Als wir am Abend nach Donezk zurĂŒckkehren, setzt in unserem RĂŒcken die Kanonade ein. Der Beschuss ist wieder schwerer als in den vergangenen Tagen. In unseren Netzwerken ĂŒberschlagen sich die Meldungen ĂŒber die EinschlĂ€ge entlang der gesamten Frontlinie. Ja, der Krieg scheint Gefallen gefunden zu haben an diesem Ort. Er will einfach nicht mehr gehen.

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BAATH, DIE (BEINAHE) GESCHEITERTE ANTWORT AUF DEN RADIKALEN ISLAM

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Raffael Klarwasser

Dieser Artikel wurde uns vom Autor zugeschickt; ich fand ihn interessant, weil wenige ĂŒber den Hintergrund der Baath-Bewegung Bescheid wissen, die die sĂ€kularen Regierungen in Syrien und frĂŒher auch im Irak hervorgebracht hat. Man muss seine Meinung zum Islam nicht teilen, aber es ist auffĂ€llig, dass es die sĂ€kularen Regierungen mit einer auf nationale SouverĂ€nitĂ€t zielenden Ideologie sind, die vom Westen ins Visir genommen werden. Raffael Klarwasser betreibt einen eigenen Blog.

Im nachfolgenden Artikel erklĂ€rt sich eine wahre Geschichte, die (zumindest inhaltlich) auch als Vorlage eines epochalen Krimis dienen könnte. Eine Serie wohlmöglich, die sind ja grad so in Mode a la House of Cards & Co. In ihr wĂŒrde es um Leben und Tod gehen, sowieso, um die Existenzen ganzer Völker, um Schuld und SĂŒhne, TrĂ€ume und Genesis. Auch fĂŒr uns, das Publikum. Einschalten, ein kaltes Bier, ab und an zum KĂŒhlschrank 
 ist hier aber nicht. Denn die Geschichte haben wir mit verursacht, sie ist nun zu uns gekommen, passiert mitten unter uns; wir sind Teil der Handlung. Ausschalten, nicht möglich 


Baath. Ein langes A, das th wie im englischen think gesprochen. Baath. Arabisches Synonym fĂŒr Renaissance, Neugeburt. Metaphysisches Gebilde. Irrationaler Traum. Versuch einer Staatsdoktrin. In der Baath liegt das verstiegene Ideal einer vereinten arabischen Nation begrĂŒndet. Vom Jemen im SĂŒden bis zur tĂŒrkischen Grenze, von der persischen im Osten, bis zum Atlantik ganz im marokkanischen Westen, einschließlich der gesamten sĂŒdlichen Levante, Mauretanien und dem Sudan. FĂŒr den westlichen Beobachter verblĂŒffend, nahm dieser mit der aktuellen Zerstörung Syriens seinem Ende nĂ€hernde national-arabische Weg die Freiheit in Anspruch, laizistisch zu verlaufen. Trennung zwischen Staat und Religion. Und damit eine klare Abkehr vom islamischen Kalifat. In der Baath-Bewegung spielte der Islam stets eine untergeordnete (wenn auch inspirativ korrespondierende) Rolle; Primat war der Nationalstaat. National. Arabisch. Sogar sozialistisch. Nicht wenige meinten, der Grat zum Faschismus sei schmal 
 Somit erhellt sich auch, obgleich das Thema dunkler nicht sein könnte, weshalb die radikalen, das Kalifat als Ideal verheißenden Islamisten von IS ĂŒber Al-Nusra bis hin zu diversen anderen Dschihadisten-Truppen, die erklĂ€rten Todfeinde der verbliebenen Baath-Gallionsfigur Assad sind.

Hier die Baath, da der Islam. Ist es tatsĂ€chlich so einfach? Schwarz und Weiß? Sicher nicht. Doch allen um ObjektivitĂ€t BemĂŒhten von uns, liebe Leser, sollten die Unterschiede, ZusammenhĂ€nge und Relevanzen in Bezug auf diese Pole bewusst gemacht werden. Denn so entwirrt sich viel und Vorurteile werden ad absurdum gefĂŒhrt. Zugegeben, es könnte sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen: Was interessiert uns der Araber, der Moslem? Nun, wenn wir nicht wollen, dass er uns dereinst tatsĂ€chlich seine Lebensart aufzwingt, bewusst oder nicht, sollten wir ihn kennen 
 Und in diesem Kontext auch unsere absurde Außenpolitik, unsere dumme Verallgemeinerung, die naiv-gefĂ€hrliche Willkommenskultur vieler hierzulande.
Der syrische PrĂ€sident Assad ist Produkt wie Vertreter eines den radikalen Islam verhindernden, multi-ethnischen, multireligiösen, brutal pragmatischen Weltbildes. Sicher hat er nicht den Friedensnobelpreis verdient, was ihn in den Augen nicht gerade Weniger mit Obama in eine Riege einreiht. Aber tatsĂ€chlich ist der studierte Augenarzt Assad Bollwerk wider den radikalen Islam. Ob es uns nun gefĂ€llt oder nicht 

Wenn wir heute angesichts dramatischer FlĂŒchtlingslawinen, jawohl, Lawinen (ob naiv bis dĂ€mlich willkommen geheißen oder strikt bis verhasst abgelehnt), beurteilen, sollte jedem klar sein, dass es eine westliche, insbesondere von US-Kreisen lancierte, „FĂŒnfte-Kolonne-Politik“ war, die die drohende deutsche Zukunftsapokalypse erst befeuerte. Ohne die grundfalsche europĂ€ische Außenpolitik gegenĂŒber Assad, die sich hypokritisch auf der Bombardierung des eigenen Staatsvolkes begrĂŒndet, existierten keine syrischen FlĂŒchtlinge, ohne den US-Krieg im Irak keine babylonischen.

Unbestritten hatte sich vor etwa vier Jahren im Zuge der Arabellion, deren Scheitern ĂŒbrigens aus 1001 GrĂŒnden absehbar war, eine auch zivilgesellschaftlich getragene Protestbewegung gegen Assad herausgebildet. Wir sahen die fĂ€lschlich als demokratisch motivierten DemonstrationszĂŒge Hunderttausender, die nach VerĂ€nderung islamischer FĂ€rbung riefen. Was wir nicht zu sehen bekamen, da bewusst und auf irrefĂŒhrende Weise von unseren fremdgelenkten Politikern und FĂ€kalaisisten vorenthalten, waren die MillionenzĂŒge der UnterstĂŒtzer des Nationalarabismus, die drei Entwicklungen ganz sicher nicht wollten: Assads Sturz, die MachtĂŒbernahme durch sunnitisch-islamische KrĂ€fte gleich welcher Dosis, und einen lenkenden westlichen Einfluss.
Gegen diese fĂŒr Assad Partei ergreifenden Menschen, die uns zivilisatorisch nĂ€her standen und stehen, als jeder islamisch/islamistisch motivierte Gegendemonstrant, haben wir zwar mittelbar, aber dafĂŒr umso verhĂ€ngnisvoller gewirkt. Wir, der Westen, haben Assads Feinde gestĂ€rkt, mit Waffen, Geld und Propaganda, und griffen somit in diesen Konflikt ein. Wir stellten uns, ohne es zu begreifen, auf die Seite der Islamisten, weil wir glauben wollten, sie seien demokratisch und nicht glauben konnten, was sich immer und immer wieder aufs Neue zeigt, aber durch eine mediale Perpetuierung abgestumpft hat: eine aggressive, staatsegozentrische US-Außenpolitik, die den Einsatz militĂ€rischer Mittel beinhaltet.
Dass Assad in seiner Verzweiflung, angesichts eines drohenden Abschlachtens der Alawiten, Christen und sÀkularen Sunniten, verhÀngnisvolle Fehler machte, gÀrte im Westen als willkommenes Argument. Aber dies war nicht weit gedacht, denn von da an kamen sie, die Leidenden, in Massen. Eine Million letztes Jahr, eine weitere dieses?
Es ist sehr genau nachzuvollziehen, wer aus Syrien – und warum – flĂŒchtete und noch immer, trotz inzwischen geschlossener Balkanroute, flĂŒchtet. Schlicht alle, die ihr Heim durch „Assads Bombenterror“ verloren haben? Nein. Diesen Unfug verbreiten unsere FĂ€kalaisisten (sprich Massenmedien) aus GrĂŒnden der StaatsrĂ€son oder weil es kein ZurĂŒck mehr gibt. Denn dies hieße Eingestehen. Schuld auf sich laden. ZweihundertfĂŒnzigtausend Tote. Und nochmals Nein. Die syrischen FlĂŒchtlinge sind unterschiedlichster Herkunft, ihre Motive – vielschichtig.

Man betrachte zunĂ€chst das Land in seiner ethnischen und religiösen Zusammensetzung. Eine bedeutsame Perspektive, da wir in Deutschland „die da unten“ verallgemeinernd als Moslems bezeichnen. Die Mehrzahl der einundzwanzig Millionen Syrer, etwa achtzig Prozent, sind dann tatsĂ€chlich sunnitische Araber, dazu zĂ€hle ich auch zwei Millionen PalĂ€stinenser (die einst vor den Kriegen mit Israel flĂŒchteten), und deshalb mit Fug und Recht pauschal als Moslems zu bezeichnen. FĂŒr diesen muslimischen Bevölkerungsteil ist jedoch signifikant, dass er bis zum Kriegsausbruch ĂŒberwiegend als religiös gemĂ€ĂŸigt galt, da durch die Baath und eine ĂŒber sechzig Jahre wĂ€hrende sĂ€kulare Lebensform erzogen. Immerhin rund vier Millionen Menschen setzen sich allerdings aus anderen Ethnien und Religionen zusammen. Da finden sich an Reinkarnation glaubende Drusen, armenische orthodoxe Christen, völlig eigenreligiöse Yesiden, sunnitische oder alawitisch-schiitische Kurden, sunnitische Turkmenen, christliche Assyrer aramĂ€ischen Ursprungs (Jesus sprach aramĂ€isch), sunnitische Tscherkessen. Auch schiitische Libanesen und schließlich die die politische und militĂ€rische Macht verkörpernden Alawiten, die Vorreiter eines Islam „light“ schiitischer Richtung, sind Teil des potentiell explosiven Potpourris. Syrien war und bleibt eine indigene levantinische Herausforderung an jede Staatsform. Weshalb das Baath-Element eine ĂŒbergeordnete, allgemein verbindende Lehre hĂ€tte sein sollen und können.
Liebe Leser, so unterschiedlich die ethnischen und religiösen Merkmale des Vielvölkerstaates sind, so divergent ist auch das Fluchtverhalten seiner Menschen. Nach Deutschland flĂŒchten kaum die modernen, privilegierten Alawiten oder weltlichen Christen; wenn ĂŒberhaupt, dann weil sie tatsĂ€chlich ausgebombt sind, von wem auch immer, oder von den Rebellen vertrieben. Deutschland ist dann zumeist nicht ihr Ziel. Sie suchen Verwandte in anderen StĂ€dten auf, oder gehen nach Jordanien, in den Libanon; oft kĂ€mpfen sie gegen die irren DunkelbĂ€rte, aus denen alle Rebellengruppen bestehen, nicht nur der IS.
Und auch das vormals gut situierte sunnitische BĂŒrgertum macht nicht den Hauptteil der FlĂŒchtlingslawine aus. Nicht von ungefĂ€hr hat sich Damaskus‘ Bevölkerung seit Kriegsbeginn vor vier Jahren von dreieinhalb auf rund sieben Millionen Einwohner verdoppelt. Diese Menschen ĂŒbrigens stehen in auffĂ€lliger Mehrheit zu Assad, ebenso wie die meisten am Mittelmeer lebenden Syrer, wie etwa die in den KĂŒstenstĂ€dten Tartus oder Latakia. Einem mir vorliegenden Stimmungsbild zufolge erhielte Assad, ja, der in unseren Medien so genannte „SchlĂ€chter“, bei einer aktuellen Wahl, die auch alsbald stattfinden soll, die relative Mehrheit, mindestens. Eine Überzahl im Land lastet nicht ihm die Zerstörung ihrer Heimat an, sondern den Rebellen. Ganz im Gegenteil glauben sie zu wissen, wem sie ihr Leben verdanken: Assad. Dies widersprĂ€che natĂŒrlich dem medial gezeichneten Bild, welches uns in Deutschland suggeriert wird. Bashar al Assad der sein Volk bombardiert und vergast, ein Massenmörder. Eigenartig, dass er dennoch ĂŒber so großen RĂŒckhalt in der Bevölkerung verfĂŒgt 
 Allein in diesem Widerspruch entlarvt sich die geheuchelte ScheinobjektivitĂ€t des Westens.
Doch zurĂŒck zum syrischen FlĂŒchtling. Aus Syrien kommen bzw. flĂŒchten die, die schon zu Friedenszeiten nichts hatten, diejenigen, die nicht auf die schlimme Entwicklung im Land alternativ reagieren konnten und können; es kommen die einfachen Menschen fĂŒr die der Glaube bedeutsam ist, da sie nichts anderes haben; auch die vom IS verfolgten Yesiden kommen, und die Turkmenen, die syrischen Kurden und Sunniten aus dem zerstörten Aleppo. Letztlich alles Leid erfahrene Menschen, aber nicht unbedingt solche, die Syriens weltlichen Weg der letzten vier Generationen verkörpern.

Wenn uns also der FlĂŒchtlingsstrom traf und weiter trifft, sollten wir genau hinschauen. Unsere Medien legen falsches Zeugnis ab, verteufeln einen Putin anstatt ihm dankbar zu sein; die Politik ist einen Irrweg gegangen, oder blind, unabhĂ€ngig von der einen Konstante, dass nĂ€mlich alle FlĂŒchtlinge bedauernswert sind. Aber fĂŒr uns sind es eben die „Falschen“, die kommen. Tacitus, der römische Geschichtsschreiber, schrieb einmal sinngemĂ€ĂŸ, dass dem Gönner, dem Hilfeleistenden, vom Hilfe Empfangenden nur solange Dankbarkeit geschuldet wird, solange dieser das GefĂŒhl hat, seine Schuld vergelten zu können. Ist er aber ĂŒber diese Grenze hinaus, wird statt des Dankes Hass erwidert. Wenn also unsere Laola-Willkommens-Gutmenschen meinen, dass sie von FlĂŒchtlingen Dankbarkeit erwarten dĂŒrfen, liegen sie wohl nicht immer richtig. Nach Tacitus wĂ€re es sogar möglich, dass ihnen der blanke Hass entgegenschlĂ€gt. Was dieses GefĂŒhl bei emotional ausgereizten Moslems bewirken kann, mussten wir bei Jihadi-John und Co. leider schon oft zur Kenntnis nehmen. Und nicht zuletzt sind die Geschehnisse von Köln ein dramatischer Beleg.
Moslem ist also tatsÀchlich nicht gleich Moslem.
Der sĂ€kularisierte, von der Baath geprĂ€gte Syrer, dessen Bildung ĂŒbrigens auch auf dem Lehrsystem der DDR beruht, da von dort durch die Baath adaptiert, ist der polare Gegensatz zum salafistischen oder wahabitischen Moslem, der in den Golfstaaten beheimatet ist, oder in Ägypten in der Moslembruderschaft existiert, nicht selten als Terrorist in Syrien/Irak sein Unwesen treibt. Der assad’sche Syrer ist nationalarabisch eingestellt. Seine Frau trĂ€gt zumeist kein Kopftuch, geschweige denn die einer Burka gleichende arabische Niqab und sonstige Verschleierungen. Er isst auch mal – meinethalben heimlich – Schwein, und Alkohol vertrĂ€gt er zwar nicht wie die Iren, Russen oder die Deutschen, aber wenigstens wie ein durchschnittlicher Koreaner. Er, der weltliche Syrer, ist es in aller Regel nicht, der flĂŒchtet und sich bei uns durch Hilferufe und Annahme eines gesponserten Lebens erniedrigen muss.

Sehen wir uns die HintergrĂŒnde an.

Mit der Baath-Partei wurde 1940 eine Organisation geschaffen, die ausgerechnet wĂ€hrend Hitlers Zenit frisch ins Bewusstsein der politischen Akteure rĂŒckte. Ob sich Michel Aflaq und Salah Bitar, die GrĂŒnder aus Damaskus, von Großdeutschland, dem Epizentrum des Nationalen, inspirieren ließen? Aflaq, ein griechisch-orthodoxer Christ, bildete mit seinem Geistesbruder Bitar eine avantgardistische Allianz, denn dieser war muslimischer Sunnit. Frankreich, in Europa von Hitler besiegt, vermochte seine Macht als Kolonialherr kaum noch aufrecht zu erhalten, und die radikal-islamischen (sunnitischen) MoslembrĂŒder hatten es bis dato nicht zuwege gebracht, die UnglĂ€ubigen aus dem kĂŒnstlichen Staatsgebilde zu vertreiben. Die Zeit war also reif fĂŒr etwas Neues. Etwas fĂŒr orientalische VerhĂ€ltnisse Ungeheuerliches, das sich auf drei Grundprinzipien verdichten ließe: Wahda, Hurrija, Ishtirakija (Einheit, Freiheit, Sozialismus). Wer jetzt an den französischen Revolutionsruf LibertĂ©, EgalitĂ©, FraternitĂ© denkt, mag gar nicht einmal so falsch liegen, denn LeitsprĂŒche benötigt jeder Idealismus, will er in die Massen fruchtverheißend einsickern – und nicht gepeitscht werden. Die Idee von der einzigen arabischen Nation als den zentralen Gedanken, musste also beflĂŒgelt werden. Und nicht durch ein inflationĂ€res „Allah Uakbar“ sondern mit Botschaften, die fĂŒr alle gelten konnten, egal ob sunnitische Moslems, Christen, Drusen, Yesiden oder Alawiten.
Und so schufen die GrĂŒnder der Baath basierend auf dem Einheitswillen einer arabischen Nation, befeuert eines tiefverwurzelten, transzendentalen wie historisch-kulturellen Bewusstseins, getragen auf den TrĂ€umen einer gegen Ende des 19. Jahrhunderts von libanesischen Christen ins Leben gerufenen panarabischen Nationalbewegung, eine völkische Ideologie. Die Macht im Staate beanspruchende Religionen wĂ€ren da nur hinderlich gewesen. Ganz besonders der Islam (in der Idee als Religionsstaat). An seiner statt trat die Intention, die arabische Gesellschaft ideell zu einen und zu modernisieren. Wie ein Fundament wirkte dabei der Betrug der Entente nach dem Ersten Weltkrieg, als jedes Versprechen nach UnabhĂ€ngigkeit gebrochen, aber die von Theodor Herzl propagierten Alija, die jĂŒdischen Einwanderungswellen, hingenommen wurden. Nie akzeptierte die Baath zudem jene von den KolonialmĂ€chten gezogenen kĂŒnstlichen Grenzen respektive geschaffenen arabischen Staaten. Eine Nation, weltlich, religiös tolerant: Grundgedanken der Baath, die sie per se ins Fadenkreuz der Islamisten verschiedenster RadikalitĂ€t rĂŒckten. KoranwĂ€chtern, so die GerĂŒchtekĂŒche, soll jedes Mal der Schaum vorm Mund gestanden haben angesichts nationalarabischer Schriften. FĂŒr diese Leute war es GotteslĂ€sterung, dass Aflaq der Person Mohamed eher die Rolle des nationalen Urhebers, des Vereiners, zuschrieb, als die des von Allah Gesandten. In der Baath aber sollte die Religion keine dominierende Rolle spielen. Diese kam der Freiheit zu, alle GegensĂ€tze, die Kasten, StĂ€mme und Religionen betreffend, zu ĂŒberwinden.

Aus heutiger Sicht muten diese Ideale geradezu verklĂ€rt an, aber grundsĂ€tzlich schien deren Realisierung durchaus eine Chance zu besitzen, denn die Baath wurde Staatsideologie in Syrien und Irak, fand UnterstĂŒtzer in der gesamten arabischen Welt, oft im Untergrund. Diese wurden von den islamischen despotischen Staaten der Region (z.Bsp. Saudi-Arabien, Marokko, Tunesien, Jordanien) als gefĂ€hrliche Metastasen betrachtet. Argwöhnisch beĂ€ugten sie die Idee eines arabischen Nationalismus sozialistischer Couleur.
Es gab nur diverse PferdefĂŒĂŸe, die den Siegeszug des weltlichen Panarabismus schließlich verhindern wĂŒrden (was durch den heutigen Status Quo auch bewiesen ist): Die Baath gab dem sozialistischen Block den Vorzug, weil sie den Kapitalismus ablehnte. Syrien war Freund der DDR, der Sowjetunion, war deren VerbĂŒndeter. Ein BĂŒndnis ĂŒbrigens, das heute Millionen Alawiten und Christen davor bewahrt, von islamistischen Rebellen getötet zu werden. Es ist Putins Verdienst, dem Schrecken in Syrien ein – wenn auch gewaltsames – Ende zu bereiten. Der russische PrĂ€sident hat mit seiner einzig richtigen Strategie so viel Erfolg, dass dem Westen kaum Zeit bleibt, seine verleumderischen Kampagnen wirksam zu platzieren. Ja, der mediale Tenor ist eindeutig, aber die geschaffenen militĂ€rischen Fakten fĂŒhren zu einer Befriedung Syriens, wĂ€hrend die Aktionen des Westens, der TĂŒrken und der Golfstaaten im Gegenteil resultierten.
Doch zurĂŒck zum Panarabismus. Die Eitelkeit der herrschenden Protagonisten fungierte wie ein Bremsklotz; einer der HauptgrĂŒnde, weshalb sich die aus Ägypten und Syrien bestehende Vereinigte Arabische Republik (VAR) nach nur drei Jahren 1961 auseinanderdividierte.
Ein weiterer Pferdefuß, Ă€hnlich wie in allen sozialistisch-diktatorischen oder einer Diktatur Ă€hnelnden LĂ€ndern (wie die DDR es beispielsweise war), sollte als Faktor die Herrschenden korrumpieren und von den Idealen entfernen: Macht. Besitzt der Mensch Macht, tritt das Wir in den Hintergrund. Überall auf der Welt. Auch bei uns heute, wie der Fall Merkel beweist. Eine Machtbesessene, die NichtwĂ€hler-bereinigt vielleicht noch magere fĂŒnfzehn Prozent der Bevölkerung hinter sich weiß, und dennoch ihren Deutschland radikal verĂ€ndernden Stiefel durchzieht – ohne die Bevölkerung zu fragen.

Die Baath indes machte nie einen Hehl daraus, dass jene parlamentarischen Demokratien des Westens keine Option fĂŒr ein Panarabien sein wĂŒrden. Weil sie als Teil eines dem Mammon verfallenden Gebildes Regulativ fĂŒr ein zu lenkendes BĂŒrgertum sind. Erstaunlich, wie recht doch ausgerechnet die Baath hatte. In Deutschland beispielsweise scheint das BĂŒrgertum tatsĂ€chlich paralysiert von Überfluss, Massenfraß und Medienbrei; es sieht zwar das Offensichtliche, unternimmt aber nichts dagegen. Es ĂŒberlĂ€sst dem rechten Rand, was es selbst tun sollte, aber aus TrĂ€gheit nicht schafft: Nein sagen.

Jedenfalls wĂŒrde die Baath als Partei fĂŒhren. Mit einem starken FĂŒhrer. Hoppla. Derer zwei, denn die Geschichte der Baath war geprĂ€gt von den syrischen und irakischen FlĂŒgeln. BrĂŒderliebe, BrĂŒderhass. Schnell dividierten sich die Geschwister auseinander. Ein Thema fĂŒr sich, ebenso wie Ägyptens Rolle. Und mit Saddam Husseins Sturz und spĂ€terem Tod, starb auch die Baath im Irak. Noch hĂ€lt sie sich in Syrien, wenn auch ihre Macht als Partei seit dem Krieg beschnitten ist und Teile als Opposition im Ausland agieren und agitieren. Und doch ist sie heute ein RĂŒckhalt fĂŒr die Menschen im mörderischen Alles-oder-Nichts-Überlebenskampf, dem, verlören ihn die assad’schen Syrer, ein Genozid folgte. Denn die wahren SchlĂ€chter sind nicht in den Reihen Assads oder in seiner Person selbst zu finden, sondern in den Todfeinden der Baath, den islamistischen Rebellen. Die von den USA, vielen westlichen LĂ€ndern und den Golfstaaten unterstĂŒtzt werden. Widerrechtlich. Verbrecherisch.

Bedeutsam ist, dass wir in Deutschland verstehen sollten, ja, mĂŒssen, was mit der UnterstĂŒtzung (allein durch Assads Bild, das unsere Medien zeichnen) so genannter, aber nie existenter, “demokratischer” oppositioneller KrĂ€fte angerichtet wurde. Nicht Assad hat zweihundertfĂŒnfzigtausend Tote verursacht, wie die Bildzeitung unlĂ€ngst schrieb; dies ist eine propagandistische LĂŒge, die wir in Deutschland glauben mĂŒssen, damit wir den Kurs unserer USA-hörigen Regierung stĂŒtzen oder nicht verhindern. Und die weiß genau, was sie will: Russland und den Iran isolieren.
Erst mit dem 13. November in Paris hat sich die Sach- bzw. Stimmungslage geĂ€ndert. Endlich könnte eine korrektive Politik das Unrecht apokalyptischen Ausmaßes gegenĂŒber dem baath’schen Syrien wieder gut gemacht werden. Doch nicht Einsicht ist es, die den Westen einlenken lĂ€sst. Es ist die blanke Furcht vor einem anhaltenden FlĂŒchtlingsstrom, der ursĂ€chlich die Regierungen Europas hinwegspĂŒlen wĂŒrde wie Treibgut. Das Schließen der Balkanroute, die Abschottung der OsteuropĂ€er, das Schweigen der Franzosen in der aktuellen FlĂŒchtlingsverteilungsmalaise, sind unmissverstĂ€ndliche Fakten. Und es ist die Furcht, dass durch den radikalen Islam (egal, ob von europĂ€ischen Banlieu-Natives, Konvertiten oder Irren aus dem Orient verĂŒbt) noch mehr Terror geschieht und wir unsere Kultur aufgeben mĂŒssen, ein Polizeistaat werden, unsere Freiheit verlieren, uns unterwerfen.

Nun haben wir also mehr als tausend deutsche Soldaten nach Syrien geschickt. Den Brand löschen, den wir selbst mit befeuert haben. Wir nennen die Löschaktion Kampf gegen den Terror. Das riecht nach selbsterfĂŒllender Prophezeiung.
Wenn ich heute den Islam in seiner Ganzheit, in seiner friedlichsten Auslegung von mir aus, als archaische, uns in Deutschland bedrohende Religion betrachte, davor warne, dass er durch die zu uns kommenden Menschen muslimischen Glaubens immer dominanter werden könnte (und wenn wir nicht Einhalt gebieten, sicher wird), ist dies der Sorge geschuldet, dass sich potentiell das syrische Horrorspektakel dereinst bei uns abspielen könnte. Wir importieren Probleme, die wir gar nicht lösen können. Wir stecken uns mit dem Erreger des ewigen Kampfes zwischen Religion und SĂ€kularismus an, transportiert von Inkubatoren, die nicht wissen, dass sie welche sind. Es kommen nicht die nationalen Araber zu uns, die Baath-AnhĂ€nger. Es kommen (hauptsĂ€chlich) die Sunniten, als Araber, als Kurden. Alle mögen den Frieden suchen, den Wohlstand, ihre Religion friedlich ausĂŒben wollen. Doch zumeist tragen sie diesen Erreger in sich, der zum Ausbruch kommen wird, wenn eine große Krise hereinbrĂ€che. Denn dann zögen sich die Menschen auf das zurĂŒck, was sie verbindet. Bei den Moslems ist es der Islam. Bei den Russen ihr gesunder, beneidenswerter Stolz. Was wird es bei uns sein?
Wir mĂŒssen unterscheiden lernen. „Die da unten“ sind nicht alle gleich. Wenn die Baath in Syrien unterliegt, droht das Kalifat. Vermummungszwang fĂŒr Frauen, Frauenrechte adĂ©, das Abschlachten von Homosexuellen, keine westliche Kleidung mehr, ein Genozid an Alawiten und Christen 
 all dies wĂ€re zu erwarten, denn es existieren keine „demokratischen“ Rebellen. Es gibt nur Assad, seine islamistischen Feinde. Und im Norden die eigenwilligen Kurden.
Jener dramatische, beinahe gescheiterte Versuch als Baath dem Kalifat entgegenzutreten, kann noch gelingen. Doch dazu mĂŒssen wir Assad unterstĂŒtzen. So wie Putin es praktiziert. Mit Erfolg. Spassibo balschoi.

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Analyse des Abzugs des russischen MilitÀrs aus Syrien

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vom Saker

Wladimir Putin hat gerade den RĂŒckzug der russischen Truppen in Syrien angeordnet:

„Ich halte die Ziele, die dem Verteidigungsministerium gesetzt wurden, im Allgemeinen fĂŒr erreicht. Darum befehle ich, den RĂŒckzug des Hauptteils unserer MilitĂ€rgruppe vom Gebiet der Syrischen Arabischen Republik zu beginnen, angefangen Morgen,“ sagte Putin am Montag wĂ€hrend eines Treffens mit Shoigu und dem russischen Außenminister Sergej Lawrow. „In einem kurzen Zeitraum hat Russland eine kleine, aber sehr wirkungsvolle militĂ€rische Gruppe in Syrien geschaffen. Die wirkungsvolle Arbeit unserer militĂ€rischen KrĂ€fte erlaubte dem Friedensprozess, zu beginnen,“ sagte Putin und fĂŒgte hinzu, „die russischen Regierungstruppen und die [syrischen]patriotischen KrĂ€fte” hĂ€tten “die Lage im Kampf gegen den internationalen Terrorismus verĂ€ndert und die Initiative ergriffen.“

Die erste Frage, die man sich stellen muss, ist, ob dies zutrifft: haben die Russen ihre Ziele erreicht oder nicht? Um auf diese Frage zu antworten, mĂŒssen wir betrachten, was die ursprĂŒnglichen russischen Ziele waren. Ich habe das in meinem Artikel „Die dreizehnte Woche des russischen Eingreifens in Syrien: die LĂŒgen aufdecken“ getan, in dem ich schrieb:

Das Hauptthema ist hier, welches Kriterium angelegt wird, um „Erfolg“ zu messen. Und das wiederum wirft die Frage auf, was die Russen ursprĂŒnglich mit ihrem Eingreifen erreichen wollten. Es erweist sich, dass Putin den Zweck des russischen Eingreifens klar und offiziell benannt hat. Am 11. Oktober erklĂ€rte er in einem Interview mit Wladimir Solowiew auf dem Fernsehsender Rossija 1 folgendes:
Unser Ziel ist es, die legitime Macht zu stabilisieren und die Bedingungen fĂŒr einen politischen Kompromiss zu schaffen.

 Das ist es. Er sagte nicht, dass Russland im Alleingang den Lauf des Krieges Ă€ndern wĂŒrde, noch weniger, den Krieg gewinnen. Und wĂ€hrend einige das russische Eingreifen als völlige VerĂ€nderung der Lage sagen, die das Ende von Daesh bedeuten wĂŒrde, habe ich das niemals geglaubt. Hier was ich schrieb, exakt einen Tag, ehe Putin obige ErklĂ€rung abgab:
Irrt Euch nicht, die russische Truppe in Syrien ist klein, zumindest vorerst, und sie entspricht nicht einmal entfernt dem, was die GerĂŒchte vorhergesagt hatten (
) Das sehr begrenzte russische Eingreifen kann den Lauf des Krieges nicht wirklich Ă€ndern, zumindest nicht allein. Ja, ich bestehe darauf, dass das russische Eingreifen sehr begrenzt ist. 12 SU-24M, 12 SU-25SM, 6 SU-34 und 4 SU-30MS sind keine große Truppe, nicht einmal mit UnterstĂŒtzung durch Hubschrauber und Lenkraketen. Ja, die russische Truppe war sehr wirkungsvoll darin, den Druck von der nordwestlichen Front zu nehmen und der Syrischen Armee eine Gegenoffensive zu erlauben, aber das wird, fĂŒr sich genommen, nicht den Krieg beenden.
Ich wurde damals scharf dafĂŒr kritisiert, das Ausmaß und das Potential des russischen Einsatzes „herabzusetzen“, aber ich beschloss, diese Kritik zu ignorieren, weil ich wusste, dass die Zeit mir Recht geben wĂŒrde.

Die heutige ErklĂ€rung setzt endlich einen Schlussstrich unter den „am meisten erwarteten Showdown“ und andere Theorien eines „geĂ€nderten Spiels“. Zumindest hoffe ich das :-)

Das russische Eingreifen ist ein verblĂŒffender Erfolg, das ist unbestreitbar. Wladimir Putin und das russische MilitĂ€r sollten insbesondere dafĂŒr gelobt werden, Ziele festgelegt zu haben, die völlig ihren realen Möglichkeiten entsprechen. Die Russen kamen mit einer kleinen Truppe hinein und haben begrenzte Ziele erreicht: die legitime AutoritĂ€t der syrischen Regierung wurde stabilisiert und die Bedingungen fĂŒr einen politischen Kompromiss wurden geschaffen. Das ist keine Meinung, sondern Tatsache vor Ort. Nicht einmal die schlimmsten Putin-Hasser können das bestreiten. Die heutige ErklĂ€rung zeigt, dass die Russen auch an ihrer ursprĂŒnglichen Ausstiegsstrategie festhalten und jetzt zuversichtlich genug sind, ihre KrĂ€fte abzuziehen. Das ist nichts weniger als großartig (wann haben die USA das das letzte Mal getan?)

Dennoch, das lÀsst viele Fragen unbeantwortet.

Eine Teilung Syriens?

Die Russen könnten durch den RĂŒckzug ihrer Truppen den USA das Zeichen geben, sie hĂ€tten jetzt freie Bahn fĂŒr ihren „kleinen siegreichen Krieg“ gegen Daesh. Aber das könnte genauso gut eine Falle sein. Wenn ihr das völlige Scheitern des US-MilitĂ€rs in Afghanistan und Irak bedenkt, könntet ihr euch fragen, warum es ihnen in Syrien so viel besser ergehen sollte, insbesondere, weil sie es neben Daesh auch mit iranischen und Hisbollah-Truppen zu tun haben könnten. Mehr noch, anders als die russischen Luft-Raum-KrĂ€fte, werden die Amerikaner Bodentruppen einsetzen, und diese haben eine weit grĂ¶ĂŸere Neigung, in langen AufstandsbekĂ€mpfungs-EinsĂ€tzen steckenzubleiben. Wenn ich ein US-MilitĂ€rberater wĂ€re, wĂŒrde ich meine Kommandeure vor einem Bodeneinsatz in Syrien warnen, selbst wenn die Russen abgezogen sind.

Dennoch, was, wenn die Amerikaner Erfolg hĂ€tten? Daesh hat schließlich schon schlimme SchlĂ€ge einstecken mĂŒssen, vielleicht kann man sie zumindest aus Rakka vertreiben? Vielleicht. Aber sollte das geschehen, dann wird sich die Frage stellen, ob die Amerikaner eine de-facto-Teilung Syriens anstreben werden (de jure können sie das nicht, weil sich eine Resolution des UN-Sicherheitsrats explizit fĂŒr einen einheitlichen Staat ausgesprochen hat).

Syrien zu teilen war und ist noch das israelische Langzeitziel. In Anbetracht der ungeheuren Macht, die die Neocons heute haben (von einer PrÀsidentschaft Hillarys ganz zu schweigen), sind die Chancen hoch, dass die USA versuchen werden, Syrien zu teilen.

Und was, wenn die Amerikaner entweder scheitern oder den Köder nicht schlucken und aus Syrien fernbleiben? Schafft der russische RĂŒckzug nicht die Gefahr, dass Ostsyrien in HĂ€nden von Daesh bleibt? Vielleicht. Noch einmal, dies ist eine wirkliche Gefahr.

Schließlich, sollten die TĂŒrken und ihre Saudi-VerbĂŒndeten wirklich einmarschieren, wĂŒrde das fast sicher zur Teilung Syriens fĂŒhren, da es zweifelhaft ist, dass die syrische Regierung Daesh, der TĂŒrkei und den Saudis gleichzeitig widerstehen kann. Iran könnte natĂŒrlich, aber das wĂŒrde zu einer grĂ¶ĂŸeren Eskalation fĂŒhren, die die ganze Region bedrohen wĂŒrde.

Ich denke, die Gefahr einer Teilung Syriens ist jedenfalls sehr real. Da das schon einmal gesagt ist, möchte ich jedoch alle daran erinnern, dass Russland weder moralisch noch rechtlich verpflichtet ist, auf sich gestellt die territoriale IntegritĂ€t Syriens zu bewahren. Rein rechtlich gesprochen ist das die Pflicht jedes einzelnen Landes der Welt (wegen der UN-Charta und den jĂŒngsten Resolutionen des Sicherheitsrats) und moralisch gesprochen ist dies zuerst und vor allem die Pflicht des syrischen Volkes selbst. Ich denke, es wĂ€re lobenswert, wenn Russland alles tĂ€te, was es kann, um eine Teilung Syriens zu verhindern, und ich bin zuversichtlich, dass Russland sein bestes tun wird, aber das heißt nicht, dass Russland dazu verpflichtet wĂ€re.

ZukĂŒnftige russische Optionen und EinsĂ€tze?

Ich möchte eure Aufmerksamkeit auf Putins folgende Worte lenken: „Ich halte die Ziele, die dem Verteidigungsministerium gesetzt wurden, im Allgemeinen fĂŒr erreicht.“ FĂŒr jene, die mit dem Kontext nicht vertraut sind (der Bewertung eines militĂ€rischen Einsatzes), mag das wie völlige Anerkennung klingen. Das ist es nicht. In der russischen MilitĂ€rterminologie ist „im Allgemeinen erreicht“ besser als „zufriedenstellend“ und ungefĂ€hr so etwas wie „gut“, aber nicht „hervorragend“. Putin sagt nicht, dass die Leistung der russischen Truppen weniger als perfekt war, aber was er sagt, ist, dass die ursprĂŒnglich gesetzten Ziele nicht gĂ€nzlich/nicht perfekt erreicht wurden. Anders gesagt, das lĂ€sst eine TĂŒr offen fĂŒr einen Einsatz zur „völligen Erreichung der Ziele“.

Der zweite interessante Moment in der heutigen ErklĂ€rung ist, dass Putin hinzufĂŒgte, dass „Moskau seinen LuftwaffenstĂŒtzpunkt Kmeimim in der Provinz Latakia und den StĂŒtzpunkt im Hafen Tartus halten wird, um die Einhaltung der Waffenruhevereinbarungen in der Region zu kontrollieren.“

FĂŒr mich deutet die Kombination dieser beiden Aussagen auf eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich die Russen ihre Optionen offen halten. Zuerst einmal werden sie weiterhin die Syrer mit AusrĂŒstung, Ausbildung, AufklĂ€rung und SpezialeinsĂ€tzen versorgen, und zudem werden sie sich die Option bewahren, militĂ€rische Gewalt einzusetzen, wenn und falls sie gebraucht wird. Russland wird nicht nur weiter die Möglichkeit haben, aus dem Kaspischen Meer, dem Mittelmeer oder mit den Langstreckenbombern zuzuschlagen, es wird vermutlich genug vorab platzierten Nachschub und Personal in Tartus, Kmeimim und andernorts in Syrien belassen, um sehr kurzfristig bereit zu sein, einzugreifen (sagen wir, im Fall eines tĂŒrkischen Angriffs Richtung Latakia z.B.)

Schließlich bin ich zuversichtlich, dass die Russen, wenn sie mit der (neugeschaffenen) „moderaten Opposition“ reden, sorgfĂ€ltig, aber regelmĂ€ĂŸig Hinweise darauf fallen lassen, wie nötig es ist, eine ausgehandelte Übereinkunft mit der syrischen Regierung zu erzielen, „andernfalls der Krieg mit neuer IntensitĂ€t wieder aufflammt“ (oder etwas Ă€hnliches in dieser Tonart). Denkt daran, dass die russischen Diplomaten und Nachrichtendienstoffiziere, anders als ihre US-GegenstĂŒcke, ihr GegenĂŒber wirklich verstehen, nicht nur, weil sie die örtlichen Sprachen beherrschen und die Kultur verstehen, sondern weil die einzige bedeutende Eigenschaft, die von einem russischen Diplomaten oder Nachrichtendienstoffizier erwartet wird, die ist, die wirklichen, profunden Motive der Person, mit der man spricht, zu verstehen, sich selbst in ihre Lage zu versetzen. Ich hatte genug persönliche Erfahrung mit russischen Diplomaten und Nachrichtendienstlern, um sicher zu sein, dass sie bereits geduldig mit allen entscheidenden Personen in Machtpositionen innerhalb des sogenannten „moderaten Widerstands“ reden, um den Einsatz, den jeder von ihnen fĂŒr eine ausgehandelte Lösung bringt, zu maximieren. NatĂŒrlich, es wird schöne Reden in Plenarsitzungen und auf Konferenzen geben, aber der Hauptanteil wird in informellen GesprĂ€chen passieren, in Restaurants, Hinterzimmern und verschiedenen Hotels, in denen die Russen verdammt sicher stellen, ihrem GesprĂ€chspartner zu vermitteln, dass er ein höchst persönliches Interesse an erfolgreichen Verhandlungen hat. Es wird eine Menge Gefeilsche geben, mit Versprechen und angedeuteten Drohungen, und auch wenn einige natĂŒrlich solch „sanftem Druck“ widerstehen werden, wird die gebĂŒndelte Wirkung solcher informeller Treffen entscheidend sein. Und wenn das bedeutet, 500 unterschiedliche Herangehensweisen und Verhandlungstechniken fĂŒr 500 verschiedene Kontakte zu entwickeln, werden die Russen das Personal, die Zeit und den Einsatz bringen, das zu ermöglichen.

Bewertung

Es ist jetzt viel zu frĂŒh, eine grundsĂ€tzliche Bewertung des Timings und der Konsequenzen des russischen Abzugs aus Syrien vorzunehmen. Denken wir auch daran, dass es Vieles gibt, was wir nicht wissen. Was wir wissen, ist, dass Sergej Lawrow etwa im Lauf des letzten Monats einen völlig irren Terminplan hatte, und dass die russischen Diplomaten mit allen regionalen MĂ€chten intensive Verhandlungen gefĂŒhrt haben. Ich bin zuversichtlich, dass die Russen ihren Abzug mindestens so sorgfĂ€ltig geplant haben, wie sie ihr Eingreifen geplant haben, und dass sie so viele Optionen wie möglich offen gelassen haben. Nebenbei ist es der große Vorteil einer einseitigen Entscheidung, dass sie, anders als eine, die im Gefolge von ÜbereinkĂŒnften mit anderen Parteien getroffen wird, ebenso einseitig widerrufen werden kann. Die Russen brauchten nur Tage, um ihren ursprĂŒnglichen Einsatz zu beginnen, obwohl sie die Vorbereitungen unter schwierigen Bedingungen und unter dem Schleier der Geheimhaltung durchfĂŒhren mussten. Wie lange wĂŒrden sie brauchen, nach Syrien zurĂŒckzukehren, sollte dies nötig sein?

Wenn alles gesagt und getan ist, vertraue ich schlicht Wladimir Putin. Nein, nicht, weil ich ein Putin-Fan bin (das bin ich natĂŒrlich!), sondern weil er in der Vergangenheit oft recht hatte und schwierige, sogar riskante Entscheidungen getroffen hat, die letztlich einen weiteren unvorhergesehenen Erfolg fĂŒr Russland einbrachten.

Wie jeder gute Schachspieler weiß Putin, dass einer der entscheidenden Faktoren in jedem Krieg die Zeit ist, und bis jetzt hat Putin jeden seiner ZĂŒge zeitlich hervorragend geplant. Ja, es gab Momente in der Vergangenheit, als ich mir wirklich Sorgen machte, weil fĂŒr mich etwas entweder zu abwartend oder als gefĂ€hrliches Risiko erschien, aber jedes Mal erwiesen sich meine BefĂŒrchtungen als unbegrĂŒndet. Und ja, ich kann leicht eine lange Liste möglicherweise katastrophaler Szenarien fĂŒr Syrien erstellen, aber ich denke, das wĂŒrde nur Sinn machen, wenn Putin, wie Obama, eine lange und beeindruckende Liste von FehlschlĂ€gen, Katastrophen, fehlerhafter Berechnung und beschĂ€mender Niederlagen vorzuweisen hĂ€tte. Aber das hat er nicht. TatsĂ€chlich sehe ich eine erstaunliche Liste von Erfolgen, die unter sehr schwierigen Bedingungen erzielt wurden. Und der SchlĂŒssel zu Putins Erfolg mag wohl sein, dass er ein knochentrockener Realist ist.

Russland ist immer noch schwach. Ja, es ist stĂ€rker als in der Vergangenheit, und es steigt sehr schnell auf, aber es ist immer noch schwach, insbesondere im Vergleich mit dem immer noch ungeheuren AngloZionistischen Empire, gegen dessen Ressourcen sich die Russlands in den meisten Bereichen winzig ausnehmen. Diese relative SchwĂ€che zwingt jedoch den Kreml auch, sehr sorgfĂ€ltig zu sein. Wenn ein Empire reich und mĂ€chtig ist, ist es nicht halb so schlimm, arrogant zu sein und die eigenen FĂ€higkeiten zu ĂŒberschĂ€tzen, wie das fĂŒr ein wesentlich schwĂ€cheres Land wĂ€re. Schaut euch nur die USA unter Obama an: sie zogen von einer erniedrigenden und teuren Niederlage zur nĂ€chsten – dennoch sind sie immer noch da und mĂ€chtig, fast so mĂ€chtig, wie sie es vor zehn Jahren waren. WĂ€hrend auf lange Zeit gesehen die Art von Hybris und völliger Inkompetenz, die wir heute bei den US-Entscheidern sehen, im unvermeidlichen Zusammenbruch des Empire enden wird, mĂŒssen sie auf kurze bis mittlere Frist keinen wirklich schmerzhaften Preis fĂŒr ihr Versagen zahlen. Nur ein Beispiel: denkt an die US-MilitĂ€reinsĂ€tze in Afghanistan und im Irak. Absolute und völlige FehlschlĂ€ge, elende Desaster unberechenbarer GrĂ¶ĂŸenordnung. Sie werden als die schlimmsten außenpolitischen Misserfolge aller Zeiten in die GeschichtsbĂŒcher eingehen. Und dennoch wĂŒrde man, wenn man durch die Innenstadt von New York oder San Francisco spaziert, nie denken, dass man ein Land besucht, das gerade zwei grĂ¶ĂŸere, lange Kriege verloren hat.

Russland hat diesen „Luxus der Macht“ nicht, jedes QuĂ€ntchen muss zĂ€hlen und es muss jeden Zug mit Ă€ußerster PrĂ€zision planen. Wie ein SeiltĂ€nzer ohne Netz weiß Putin, dass ein einziger Fehltritt katastrophale Konsequenzen haben kann.

Den Hauptteil der russischen Eingreiftruppen in Syrien gerade jetzt anziehen ist ein mutiger und sicher möglicherweise riskanter Schritt, aber ich bin zuversichtlich, dass es auch der richtige ist. Aber nur die Zeit wird erweisen, ob meine Zuversicht berechtigt ist oder nicht.

Der Saker

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Eine Runde zum Gucken

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Heute mal wieder ein Satz Videos.

Das erste ist die Pressekonferenz des russischen Verteidigungsministerium vom 18.03. zum Stand der Waffenstillstandsverhandlungen in Syrien.

Das zweite ist ein Interview mit Lawrow, in dem er seinen trockenen Humor einmal ganz zur Wirkung kommen lĂ€sst. Das erste Mal, dass er so deutlich sagt, was er von den “amerikanischen Partnern” hĂ€lt. Ein wahres VergnĂŒgen


Und das dritte ist ein Bericht ĂŒber die KĂ€mpfe bei Jasinowataja, die nun schon eine Woche andauern. In den letzten Wochen hat sich der ukrainische Beschuss wieder deutlich verstĂ€rkt; gegen Gorlowka werden mittlerweile wieder Grad-Raketenwerfer zum Einsatz gebracht und die bekannten Donezker Gebiete um den Flughafen liegen auch wieder mindestens nachts unter Feuer. Die heftigsten Gefechte gibt es aber bei Jasinowataja, dort droht sich das Gerangel um Stellungen in der eigentlich neutralen Zone stĂ€ndig in ein abermaliges Aufflammen des Kriegs zu verwandeln. Die genauen Details könnt ihr der alternativen Presseschau entnehmen, die tĂ€glich die Lageberichte Basurins ĂŒbersetzt. Hier das Video:

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Die große Falle

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Die offizielle OberflĂ€che der „FlĂŒchtlingskrise“ ist die einer humanitĂ€ren Großtat. Deutschland, der sonst so unerbittliche Hegemon der EU, erklĂ€rte sich plötzlich bereit, eine große Zahl FlĂŒchtlinge aufzunehmen. Hunderttausende strömten ins Land und werden seither irgendwo, irgendwie untergebracht und versorgt.

Aber war das wirklich eine humanitĂ€re Handlung? Normalerweise findet humanitĂ€re UnterstĂŒtzung fĂŒr FlĂŒchtlinge in der NĂ€he ihres Heimatlandes statt. Auch, weil die meisten FlĂŒchtlinge wieder in ihr Land zurĂŒck wollen. Wer die Geschichte deutscher Antifaschisten im Exil kennt, weiß, dass die Anlaufpunkte ihrer Flucht erst einmal die unmittelbaren NachbarlĂ€nder waren – die Tschechoslowakei, Frankreich, DĂ€nemark
 das Muster findet sich immer und ĂŒberall: ein elender Zustand des eigenen Landes ist fĂŒr die Meisten kein Grund, sich auf Nimmerwiedersehen zu verabschieden.

Der erste und unverzichtbare humanitĂ€re Schritt (ich blende jetzt mal die politischen Schritte wie eine Beendigung der Beteiligung an der Zerstörung anderer LĂ€nder aus) wĂ€re gewesen, das Möglichste fĂŒr die Versorgung der FlĂŒchtlinge vor Ort zu tun. Genau an diesem Punkt wurde das Gegenteil getan; die Mittel fĂŒr das UNHCR wurden von der EU gekĂŒrzt. Dabei gibt es einen sehr einfachen und höchst ĂŒberzeugenden Grund, warum eine Versorgung vor Ort die beste Lösung ist: gerade jene Menschen, die am verwundbarsten sind, also Alte, Kranke, MĂŒtter mit kleinen Kindern, können in der Regel gar nicht ĂŒber weite Strecken fliehen. Eine ernst genommene humanitĂ€re Verantwortung muss also dort ansetzen.

Nun wĂ€re es durchaus möglich gewesen, hier auch in der Form einer GewĂ€hrung von Schutz einzugreifen. Mittel und Wege zum Transport grĂ¶ĂŸerer Menschenzahlen existieren durchaus, die Tourismusindustrie belegt das alljĂ€hrlich. Die Mengen, die ĂŒber die Balkanroute befördert wurden, sind durch gezielt eingesetzte Logistik problemlos zu schaffen. Anders gesagt, hĂ€tte Frau Merkel den Beschluss gefasst, eine grĂ¶ĂŸere Zahl der SchutzbedĂŒrftigsten aus den FlĂŒchtlingslagern um Syrien zu holen, wĂ€re das machbar gewesen. Dann wĂ€re weder die humanitĂ€re Absicht anzuzweifeln gewesen noch wĂŒrde eine solche Gegenreaktion stattfinden, wie wir sie derzeit erleben. Es gab EntscheidungsspielrĂ€ume, und die Art und Weise, wie sie genutzt wurden, muss bewertet werden.

Das plötzliche „wir machen auf“ mit all seinen befremdlichen rechtlichen Eigenschaften hĂ€tte auch anders erfolgen können, kooperativ statt konfrontativ. WĂ€re die Bundesregierung bereit gewesen, eine verlĂ€ssliche Zusage darĂŒber, alle Kosten zu tragen, gegenĂŒber den LĂ€ndern entlang der Balkanroute zu ĂŒbernehmen, bis hin zur tĂŒrkischen Grenze, hĂ€tte die Strecke gefahrlos absolviert werden können. Genau diese Zusage wollte die Bundesregierung offenbar nicht machen; das deutet darauf hin, dass man die FlĂŒchtlinge den NachbarlĂ€ndern aufzwingen wollte, sprich, zumindest ganz und gar nicht humanitĂ€re Nebeninteressen bestanden. Wenn man berĂŒcksichtigt, wie die ökonomischen Voraussetzungen in den BalkanlĂ€ndern sind, könnte man dies durchaus als eine aggressive Handlung der Bundesregierung gegenĂŒber diesen LĂ€ndern werten, die deren SouverĂ€nitĂ€t ernsthaft beeintrĂ€chtigt.

Der gefĂ€hrlichste Teil der Strecke zwischen der TĂŒrkei und Griechenland, ließe sich völlig vermeiden. Kann es humanitĂ€r sein, eine Art darwinschen Parkours aufzubauen, der am Ende genau die SchutzbedĂŒrftigsten scheitern lĂ€sst? FĂŒr eine humanitĂ€re Handlung ist die Zusammensetzung der hier Eingetroffenen zumindest seltsam. Junge MĂ€nner zwischen 20 und 30 sind eher das Material, das man aus Anwerbephasen frĂŒherer Jahrzehnte kennt. Sie haben der eigentlichen Zielgruppe humantĂ€ren Handelns eines voraus – sie sind als ArbeitskrĂ€fte verwertbar.

Kollateralnutzen

Leider vermischen sich bei fast allen zwei völlig unterschiedliche Ebenen der Geschichte um die FlĂŒchtlinge. Entweder alles ist gut oder alles ist schlecht. Nur – das Handeln der FlĂŒchtlinge selbst (bezogen auf den schlichten Akt, hierher zu kommen) und das Handeln der Regierung mĂŒssen getrennt voneinander betrachtet werden. WĂ€hrend die FlĂŒchtlinge schlicht versuchen, ihre Haut zu retten (und zwar auch jene, die nur vor dem Elend, nicht vor Krieg flĂŒchten, auch Elend tötet), handelt die Regierung, insbesondere Merkel, tatsĂ€chlich aggressiv.

Das gilt nicht nur nach innen, sondern vor allem nach außen. Parallel zu den „Verhandlungen“ auf europĂ€ischer Ebene liefen Versuche, die Kontrolle ĂŒber die Außengrenzen der EU zu europĂ€isieren, was schlicht heißt, sie deutschem Gebot zu unterwerfen. Die Griechen sollten, nachdem durch die Troika schon die Wirtschafts- und Sozialpolitik in Berlin gemacht wird, auch die Innenpolitik abtreten. Die „VorschlĂ€ge“, die jĂŒngst aus der TĂŒrkei gemacht wurden,stammten tatsĂ€chlich aus Berlin und belegen, wie innig die Zusammenarbeit zwischen Merkel und Erdogan ist; dabei muss man sich vernĂŒnftigerweise auch fragen, ob die Mengen der mit falschen Versprechungen in Bewegung gesetzten Menschen nicht bereits durch Berliner-Istanbuler Kooperation in Marsch gesetzt wurden.

FĂŒr die LĂ€nder entlang der Route ist das eine höchst bedrĂ€ngende Situation, durch die tatsĂ€chlich ihre SouverĂ€nitĂ€t ernsthaft bedroht wird. Diese Bedrohung wiederum erzwingt eine Kooperation mit Erdogan und seinen KriegsplĂ€nen, mit offensichtlichem Segen aus Berlin. Sprich, die ganze Folge der Ereignisse ist von den Manövern gegen Syrien nicht zu trennen, sie ist ein Teil der imperialistischen Aggression, und die FlĂŒchtlinge sind die Druckmasse, mit der Merkel die ĂŒbrigen LĂ€nder Europas an ihre PlĂ€ne binden will, die noch weit inniger mit der wahabitischen Koalition TĂŒrkei/Saudi-Arabien verstrickt sind, als selbst jene der USA. Kein Wunder, dass gerade zu diesem Zeitpunkt neue Waffenlieferungen an Saudi-Arabien genehmigt wurden.

Es sind nicht die FlĂŒchtlinge, die die SouverĂ€nitĂ€t der europĂ€ischen LĂ€nder bedrohen, es ist die Politik der Regierung Merkel, die nach innen möglichst viele Nebenkonflikte eröffnet und nach außen mit dem Charme eines Panzers die eigenstĂ€ndigen Entscheidungsmöglichkeiten der europĂ€ischen Nachbarn eliminiert. Dieser aggressive Charakter des Merkelschen Handelns wie auch die rechtlich fragwĂŒrdige QualitĂ€t wird von all jenen ĂŒbergangen, die sich auf die ErzĂ€hlung der humanitĂ€ren Großtat einlassen; damit aber werden sie zu Kollaborateuren einer Politik, die innerhalb Europas wie auch gegenĂŒber Syrien zutiefst feindselig ist. (Wenn jetzt die Rede davon ist, wieviel die TĂŒrkei fĂŒr die armen syrischen FlĂŒchtlinge getan habe und dass man ihr einen Teil der Last abnehmen mĂŒsse, sollte man nicht vergessen, dass Erdogan einer der Hauptverantwortlichen dafĂŒr ist, dass es ĂŒberhaupt GrĂŒnde gibt, aus Syrien zu fliehen. Eigentlich wĂ€re hier eine europĂ€ische Sanktionspolitik geboten
.)

Was hier als mangelnde Bereitschaft der europĂ€ischen Nachbarn zu humanitĂ€rer Kooperation dargestellt wird, ist tatsĂ€chlich ein Versuch, die eigene SouverĂ€nitĂ€t gegen das Berliner Diktat zu verteidigen. Weshalb auch hier die Frage, was fortschrittlich und was reaktionĂ€r ist, etwas komplizierter ist, als sie auf den ersten Blick zu sein scheint. Denn ein Deutschropa ist keinesfalls im Interesse der europĂ€ischen Völker, mag der Vorwand dafĂŒr noch so edel wirken.

Der nicht vorhandene Staat

Betrachten wir jetzt, wie mit den FlĂŒchtlingen weiter verfahren wurde. Man hĂ€tte erwarten mĂŒssen, dass eine zentrale Koordinierung auf Bundesebene stattfindet; dass so schnell wie möglich Mittel fließen, die Versorgung und Unterbringung ermöglichen.

TatsĂ€chlich erfolgte das Meiste bisher zu Lasten der Kommunen. Nachdem praktischerweise eine direkte Kooperation zwischen Bund und Kommunen in der Verfassung untersagt ist, ist der Erstattungsweg fĂŒr kommunale Leistungen aufwendig und vor allem – langsam.

Die Unterbringung ist fĂŒr viele Unternehmen ein gutes GeschĂ€ft, und auch die Armutsindustrie bekommt ihr HĂ€ppchen. Die einen betreiben UnterkĂŒnfte, die anderen das Catering, dritte liefern die Wachmannschaft; und da die Kommunen unter Handlungszwang stehen, können sie weder ordnungsgemĂ€ĂŸe Ausschreibungen durchfĂŒhren noch wirklich verhandeln. Eine Situation, die geradezu nach Bestechung schreit und eine breite Schmierspur der Korruption durch die Verwaltungen des Landes ziehen dĂŒrfte.

Aber muss das so verlaufen? Gibt es nicht einen Staat, der umfassende Möglichkeiten besitzt? Im FrĂŒhherbst gab es vielerorts Klagen darĂŒber, es gĂ€be keine Zelte, keine SchlafsĂ€cke mehr zu kaufen
 Die Bearbeitung der AsylantrĂ€ge (die gestellt werden mĂŒssen) dauert, weil schon die Einstellung neuer BeschĂ€ftigter Monate in Anspruch nimmt. In Berlin vor dem Landesamt fĂŒr Gesundheit und Soziales, das unter dem KĂŒrzel Lageso mittlerweile berĂŒchtigt ist, stehen seit Monaten Menschenschlangen auf der Straße, bei jedem Wetter. Ist dieses Chaos wirklich Alles, wozu ein hochentwickeltes Industrieland im Stande ist?

Nein, ist es nicht. NatĂŒrlich gĂ€be es die Möglichkeit der Planung und Koordination, gĂ€be es die Möglichkeit, EngpĂ€sse in der Verwaltung durch Versetzungen und Neueinstellungen auszugleichen. Das Problem ist schlicht – es soll Beute gemacht werden. Es geht nicht darum, die FlĂŒchtlinge so schnell es geht und so gut es geht zu versorgen. Es geht darum, nicht gegen das Tabu zu verstoßen, öffentliche Stellen zu schaffen, und ansonsten der „Privatwirtschaft“ möglichst viele Ertragsmöglichkeiten zu schaffen. Wollte man wirklich schnellstmöglich einigermaßen ertrĂ€gliche UnterkĂŒnfte aufbauen – ein Staat ist nicht darauf angewiesen, dass ihm private Firmen umgebaute Container liefern. Ein Staat könnte selbst im Handumdrehen eine solche Firma errichten und seine eigene Nachfrage decken. TatsĂ€chlich lĂ€sst man lieber monatelang Menschen in Zelten hausen. Ist ja auch hĂŒbsch. FĂŒr die Betreiber der ZeltunterkĂŒnfte zumindest; jenseits des Oktoberfests dĂŒrfte es noch keine Gelegenheit gegeben haben, bei der mit Großzelten so viel zu verdienen war.

Ein Staat könnte sogar selbst HĂ€user bauen. Sich die erforderlichen GrundstĂŒcke nehmen. Ein Staat kann viele Dinge, die heute in Vergessenheit geraten sind. Die Bundesrepublik hat sich im Umgang mit den FlĂŒchtlingen auf eine Art ineffizient und chaotisch verhalten, dass man fĂŒrchten muss, sollte es wieder einmal ein Hochwasser geben, wĂ€ren sie mit der Bestellung der SandsĂ€cke fertig, wenn der letzte Keller renoviert ist. Die Überzeugung, die Privatwirtschaft könne alles besser, und der Glaube, nur ein Staat, der nicht eingreife, sei ein guter Staat, ist so tief eingedrungen, dass nicht nur jede FĂ€higkeit, mit wirklichen Katastrophen umgehen zu können, in Zweifel steht, sondern auch die gesamte politische Klasse nicht einmal mehr Kritik an dieser Abwesenheit staatlichen Handelns formulierte.

Oder handelt es sich um gewolltes Chaos? Über den Raubzug durch die kommunalen Kassen hinaus um einen gezielt erweckten Eindruck von Hilflosigkeit und Überforderung?

Die gespaltene ErzÀhlung

Wer den Reaktionen in sozialen Netzen folgt, wird feststellen, dass sich seit letztem Sommer zwei völlig voneinander getrennte ErzĂ€hlungen etabliert haben. In der einen hat Merkel gut und edel gehandelt, die FlĂŒchtlinge werden schlecht versorgt und durch rassistische Übergriffe bedroht. In der anderen hat Merkel blindwĂŒtig Terroristen ins Land gebracht, die Frauen und MĂ€dchen bedrĂ€ngen und die vorhandenen Einwohner bedrohen. Beide ErzĂ€hlungen haben ihre eigenen Höhepunkte; in der einen ist es Lageso, in der anderen die Silvesternacht in Köln.

Zwischen beiden ErzĂ€hlungen gibt es keine Verbindung mehr, und um beide scharen sich grĂ¶ĂŸere Gruppen von Menschen, die einander feindselig gegenĂŒberstehen. Jede Seite hĂ€lt die ErzĂ€hlung der jeweils anderen fĂŒr völlig erlogen.

Besonders leicht geht das, weil auch die Migranten gewogenere Seite nie frei von Rassismus war. Das war schon in den Achtzigern zu merken, im Vorlauf zur Schleifung des Asylrechts. Entweder waren die Asylbewerber hinterhĂ€ltige BetrĂŒger oder hilflose, arme Opfer. Wirkliche Menschen sind allerdings in der Summe immer irgend etwas dazwischen, und Elend fördert nicht den Edelmut. Damals schon gab es vielfach diese gespaltene Wahrnehmung; weil die Menschen, die hierher kamen, besonders gut und edel sein mussten, um die Zuwendung der vermeintlich nicht rassistischen Deutschen zu verdienen; und letztere mussten entweder alles ausblenden, was nicht gut und edel war, oder die Freundlichkeit konnte im Handumdrehen in Ablehnung umschlagen.

Genau diese Lage finden wir heute wieder, nur um ein vielfaches verschĂ€rft. NatĂŒrlich sind große Zahlen alleinstehender junger MĂ€nner, die man eng aufeinanderpackt und konsequent zum Nichtstun verdammt, fĂŒr die umgebende Gesellschaft unangenehm. Es ist in allen Gesellschaften und zu allen Zeiten jene Gruppe, die am schnellsten zu Gewalt und Übergriffen neigt. Schlimmer noch, auf der Fluchtstrecke sind sexuelle Übergriffe nicht unĂŒblich, und Jugendliche, die es etwa aus Afghanistan bis hierher geschafft haben, konnten dem selten entgehen. TatsĂ€chlich ist die zwangsweise Unterbringung in großen Lagern, die unter dem Kommando irgendwelcher privater Sicherheitsfirmen stehen, gekoppelt mit enttĂ€uschten Erwartungen, geradezu eine Einladung fĂŒr Schwierigkeiten. Wer sich an die AtmosphĂ€re in WochenendzĂŒgen erinnert, als große Zahlen von Wehrpflichtigen nicht gĂ€nzlich nĂŒchtern zurĂŒck in ihre Kasernen fuhren, weiß, wie leicht das fĂŒr Außenstehende, insbesondere Frauen, bedrohlich wirkt oder auch tatsĂ€chlich bedrohlich werden kann. Nicht umsonst waren in solchen ZĂŒgen immer mal wieder FeldjĂ€ger unterwegs.

Es wĂ€re möglich, solche Situationen zu vermeiden. Die Unterbringung in großen Lagern ist Konsequenz einer politischen Entscheidung. Das Gesetz, dass dieses bis zum Abschluss des Asylverfahrens vorschreibt, kann auch geĂ€ndert werden. GĂ€be es offizielle Selbstverwaltungsstrukturen in den Lagern, gĂ€be es auch eigene AutoritĂ€ten, die besagte junge MĂ€nner zur Ordnung rufen könnten. Auch hier muss man wieder beachten, dass keine Struktur und keine Verfahrensweise naturgesetzlich ist, sondern Ergebnis eines mehr oder weniger bewussten Handelns.

Nichts davon wird innerhalb der politischen Debatte thematisiert. Im Gegenteil. Das monatelange Elend vor dem Lageso fĂŒhrte selbst in der politischen Linken nicht dazu, der Berliner Landesregierung auf die Zehen zu steigen und ein angemessenes staatliches Handeln einzufordern. Stattdessen wurden Wasser und Decken verteilt, damit die armen Menschen beim Warten nicht so sehr leiden.

Das Mistloch der Gnade

Um zu erfassen, wie sehr die offizielle Darstellung ĂŒber die großzĂŒgige Aufnahme von FlĂŒchtlingen mit Halbwahrheiten gespickt ist, muss man das Aufenthaltsrecht etwas genauer betrachten.

Als Ergebnis eines Asylantrags gibt es vier unterschiedliche Arten von Aufenthaltsrecht. Die höchstwertige ist das ursprĂŒngliche Asyl, das eine belegbare individuelle Verfolgung voraussetzt. Danach kommt der FlĂŒchtlingsstatus, der der Genfer Konvention entspricht, der aber immer noch zumindest eine Verfolgung als Angehöriger einer gesellschaftlichen Gruppe zur Voraussetzung hat. Dritte Stufe ist der sogenannte subsidiĂ€re Aufenthalt, der z.B. BĂŒrgerkriegsflĂŒchtlingen gewĂ€hrt wird, und die letzte ist die Duldung, die darauf beruht, dass eine Abschiebung nicht möglich oder fĂŒr die Betroffenen gefĂ€hrlich ist. Auf Stufe drei und Stufe vier ist immer nur ein befristetes Aufenthaltsrecht zu haben.

Auch wenn de MaziĂšre im September noch vollmundig tönte, die hier eingetroffenen FlĂŒchtlinge wĂŒrden nach der Genfer Konvention aufgenommen, geht es in Wirklichkeit nur um ein Aufenthaltsrecht nach Stufe drei oder vier. Schon in den regulĂ€ren Verfahren um politisches Asyl, wenn persönliche Verfolgung nachgewiesen werden kann, spielten immer die politischen Interessen der BRD eine gewichtige Rolle – oftmals wurde echte und belegbare Verfolgung bei befreundeten Staaten schlicht ignoriert. SubsidiĂ€rer Aufenthalt und die Duldung sind noch weitaus stĂ€rker Spielball des politischen Interesses. Wenn man bedenkt, dass Afghanistan mittlerweile zum „sicheren Herkunftsland“ erklĂ€rt wurde oder die Berichterstattung der deutschen Presse ĂŒber den Donbass betrachtet, lĂ€sst sich unschwer sehen, wie unsicher ein Status ist, der auf einem subsidiĂ€ren Aufenthaltsrecht beruht. Letztlich ist das eine Gnade, die jederzeit wieder zurĂŒckgenommen werden kann.

WĂ€hrend also auf der einen Seite durch Meldungen wie ĂŒber ein Stipendienprogramm fĂŒr FlĂŒchtlinge, die studieren wollen, der Eindruck einer Bevorzugung selbst gegenĂŒber schon lange hier integrierten Migranten erweckt wird, wird die Gesamtheit der eingetroffenen FlĂŒchtlinge tatsĂ€chlich in einem prekĂ€ren, unsicheren, ausgelieferten Zustand gehalten. Das betrifft auch ihre eventuellen Arbeitsmöglichkeiten. Gleich, wie momentan herumgetönt wird – die wirkliche Perspektive lautet, jene, die der deutschen Industrie verwertbar erscheinen, werden auf die eine oder andere Art bleiben dĂŒrfen, der Rest ist Manövriermasse.

Es wird natĂŒrlich ein wenig dauern, bis diese Lage den eingetroffenen FlĂŒchtlingen voll bewusst wird. Kaum anzunehmen, dass sie darauf mit Freude reagieren. Aber das passt ja ins Spiel.

Die Klaviatur der Angst

Welches Interesse könnte eine Regierung haben, eine solche Farce zu inszenieren? Die erste Antwort ist ganz schlicht – es geht darum, Angst zu erzeugen.

Es ist zwar nur wenigen bewusst, aber die StabilitĂ€t des Kapitalismus beruht immer zu einem großen Teil auf Angst. Es gibt viele Möglichkeiten, „unpassendes“ Verhalten zu sanktionieren, und die wenigsten davon werden ĂŒber das ausgeĂŒbt, was man den UnterdrĂŒckungsapparat nennt. Neben Polizei und Justiz finden sich Behörden wie die Jobcenter im Katalog der Disziplinierenden; im weiteren Umfeld finden sich selbst die medizinischen Berufe, die ebenfalls als höchstes anzustrebendes Ziel die Verwertbarkeit als Arbeitskraft verinnerlicht haben. In der neuesten Version des Katalogs der psychischen Erkrankungen in den USA (DSM-5) wird beispielsweise inzwischen jede Trauerphase um einen verlorenen Angehörigen, die zwei Wochen ĂŒberschreitet, als krankhaft definiert. Auf diese Art und Weise wird Druck aufgebaut, wie man sich zu verhalten hat, um als „normal“ zu gelten.

Die alltĂ€glichste Form der Bedrohung entsteht aber schlicht durch die Unsicherheit der Existenz, die alle betrifft, die ihre Arbeitskraft verkaufen mĂŒssen; die Gefahr, die Arbeit, die Wohnung und das soziale Umfeld zu verlieren oder in Armut zu geraten. Diese bestĂ€ndige, subtile Angst ist nötig, um Menschen ĂŒberhaupt dazu zu bringen, eine so streng kontrollierte Unterordnung hinzunehmen, wie sie in der modernen Arbeitsgesellschaft ĂŒblich ist.

Die normale heutige Existenz ist weit von dem entfernt, was fĂŒr Menschen GlĂŒck ausmacht. GlĂŒck findet sich nĂ€mlich vor allem in Beziehungen mit anderen Menschen; durch als sinnvoll erlebte Handlungen; in einem Miteinander, nicht in einem Gegeneinander, in FĂŒrsorge, Aufmerksamkeit und Zuneigung. Vor eine wirkliche Wahl gestellt, tĂ€glich eine Stunde mehr in Gesellschaft von Freunden zu verbringen oder immer das neueste I-Phone zu haben, wĂŒrden sich immer noch die meisten Menschen fĂŒr die Freunde entscheiden. Oder ihre Familie. Aber diese Wahlmöglichkeit gibt es nicht.

In der englischen Geschichte des 18. und frĂŒhen 19. Jahrhunderts kann man nachlesen, dass große Teile der von den Grundbesitzern vertriebenen Landbevölkerung lieber als Wegelagerer und Vagabunden lebten, als sich ins Dasein als Lohnarbeiter zu fĂŒgen, fĂŒr sie die abscheulichste Form der Unfreiheit. Um sie in diese Existenz zu zwingen, wurden drakonische Strafen selbst fĂŒr die geringsten GesetzesverstĂ¶ĂŸe verhĂ€ngt. Das wichtigste Disziplinierungsmittel war das Arbeitshaus, in dem sie gefangen gehalten und zur Arbeit gezwungen wurden; und tatsĂ€chlich ist dieses Arbeitshaus der kulturelle Stammvater der modernen Fabrik.

Der Grad der GefĂŒgigkeit, der in heutigen AblĂ€ufen gefordert wird, in Produktion wie Verwaltung, bedarf nicht nur einer Ă€ußeren Unterordnung, sondern auch innerer Kooperation. Um diese GefĂŒgigkeit zu erreichen, die jeder menschlichen Regung widerspricht (unter Anderem, weil sie fĂŒr fremdes Interesse erfolgt), gibt es zwei Mittel – die VerfĂŒhrung durch den Konsum, also die Befriedigung falscher BedĂŒrfnisse, die an die Stelle der echten treten, und die schiere Angst.

Im Verlauf des letzten Vierteljahrhunderts hat in Deutschland die VerfĂŒhrung als Methode immer weiter abgenommen und wurde durch die Angst ersetzt. Immer weitere TĂ€tigkeiten werden so elend entgolten, dass jenseits der reinen Existenz kein Konsum mehr möglich ist. Zum Ausgleich wurde, beispielsweise mit Hartz IV, ein ausgeklĂŒgeltes Regime des Schreckens entfaltet, das deutliche AnklĂ€nge an die ArbeitshĂ€user des 19. Jahrhunderts zeigt.

Zu diesem Regime des Schreckens gehört auch die bestĂ€ndige Konkurrenz gegeneinander, die schon in der Grundschule eingeĂŒbt wird. Inzwischen kann es innerhalb ein und derselben Firma BeschĂ€ftigte von beliebig vielen Subunternehmen und Leihfirmen geben, Leute mit WerkvertrĂ€gen, die scheinbar selbstĂ€ndig sind, Praktikanten
 hunderterlei Kategorien, die hunderterlei Abstiege möglich werden lassen.

Selbst um Wohnungen muss konkurriert werden, steht immer einer gegen den anderen. Und solange diese Konkurrenz nicht durch Einsicht aufgehoben wird, stellt sie sicher, dass sich die Menge den Interessen der Wenigen fĂŒgt.

Die Notwendigkeit, zur Erhaltung der Gewinnerzielung immer neue falsche BedĂŒrfnisse zu wecken, fĂŒhrt, weil sie die Wahrnehmung wirklicher BedĂŒrfnisse erschwert, zu immer weiter gehender Vereinzelung und damit zu stetig höherer EmpfĂ€nglichkeit fĂŒr Angst. Denn letztlich ist es soziale Isolation, die Angst macht, und eine sichere soziale Umgebung, die Angst verringert. Sowohl fĂŒr den Absatz der auf kĂŒnstliche BedĂŒrfnisse zielenden Produkte als auch fĂŒr die maximale Beherrschbarkeit und Unterordnung ist das ideale GegenĂŒber des Kapitals ein vereinzeltes, ausgeliefertes und verĂ€ngstigtes Individuum.

Stabil oder nicht?

Wer einen Blick auf die momentane Entwicklung des globalen Handels wirft, wird einen tiefen Einbruch erkennen. Nach wie vor kann man sich in Deutschland vielen Illusionen hingeben, was QualitĂ€t und Tiefe der Weltwirtschaftskrise angeht, die sich seit 2007 manifestiert; schließlich ist es gelungen, die Folgen innerhalb Europas umzuverteilen. In Griechenland stiegen Obdachlosigkeit, Selbstmordrate und Kindersterblichkeit, in Spanien ist die HĂ€lfte der Jugendlichen arbeitslos, aber in der Bundesrepublik herrscht relative Ruhe. Der jetzt erfolgende Einbruch des Welthandels steht fĂŒr eine kleine, zyklische Krise ĂŒber der nach wie vor aktiven großen; die jĂŒngsten Entwicklungen um die Deutsche Bank wie auch um diverse andere deutsche Konzerne legen nahe, dass diese Welle nicht spurlos am Exportgiganten BRD vorĂŒberziehen wird.

Mit der Krise lĂ€sst sich eine parallele Entwicklung in allen kapitalistischen KernlĂ€ndern beobachten – es finden rechtliche und technische Vorbereitungen auf grĂ¶ĂŸere soziale Auseinandersetzungen statt. Quer durch Europa gibt es eine Zunahme von Überwachung und Kontrolle; sei es durch Lauschen im Internet oder durch Abschaffung des Bargelds; ĂŒberall fĂŒhrt die Polizei BĂŒrgerkriegsĂŒbungen durch, die Bevölkerung wird an eine gleichsam militĂ€rische PrĂ€senz gewöhnt und erste Experimente, wie lange sich ein Notstand halten ließe und ob die daraus folgenden EinschrĂ€nkungen demokratischer Rechte auf Widerstand stoßen, laufen bereits beim französischen Nachbarn.

Die neoliberale Ideologie, die die Apparate tief durchdrungen hat, erzeugt mittlerweile wahrnehmbare DisfunktionalitĂ€t (das hĂŒbscheste deutsche Beispiel dafĂŒr ist der Flughafen Berlin-Brandenburg). Der Staatsapparat erfĂŒllt jedoch immer zwei Funktionen – die eine besteht schlicht darin, Besitz und Macht der herrschenden Klasse zu sichern, die zweite darin, die erforderliche Koordination und Infrastruktur fĂŒr die komplexe Arbeitsteilung bereit zu stellen. Die zweite Funktion ist jene, aus der die staatliche Macht ihre Legitimation zieht. Wird sie unzureichend oder schlecht oder letztlich gar nicht mehr erfĂŒllt, zerfĂ€llt diese Legitimation; der Gewaltapparat, der immer nur als ErgĂ€nzung zur Kooperation dienen kann, reicht dann womöglich nicht mehr aus, die Herrschaft zu sichern.

Neben der inneren AufrĂŒstung ist eine Erhöhung des Angstpegels in der Gesellschaft die einzige Methode, die bleibt, um die bestehende Macht zu stabilisieren. WĂ€hrend also auf den ersten Blick die „Einfuhr“ der FlĂŒchtlinge und die um sie herum aufgebauten Konflikte und Ängste (die beide Seiten gleichermaßen treffen, die sich gleichermaßen voreinander fĂŒrchten) destabilisierend wirken, sind sie letztlich ein Mittel, das eine schwach werdene Herrschaft stabilisiert. So wie die zaristischen Pogrome Anfang des 20. Jahrhunderts eine fragil werdende Zarenherrschaft stĂŒtzten, stĂŒtzt eine erzeugte Feindseligkeit gegen die willentlich als Gegner dargebotenen FlĂŒchtlinge die Macht eines Staates, der zentrale Funktionen bereits nicht mehr erfĂŒllt. Das Scheitern beziehungsweise das Fehlen staatlichen Handelns im Sinne der Risikoverminderung wird durch das dargebotene Drama ĂŒberdeckt und die aus einer realen (auch Sinn-) Krise entstehende Wut wird auf ein fĂŒr das goldene Prozent ungefĂ€hrliches Objekt gelenkt.

Die unsichtbare Wirklichkeit

Nehmen wir einmal unsere Fantasie zusammen und stellen wir uns dieses Land vor, mit seiner Industrie, seinem Reichtum, aber ohne die jetzige Politik und ohne die Begrenzungen, die der Vorrang des Kapitals vor allem anderen auslöst. Also sein theoretisches Potential.

Könnte dieses Land eine Million, zwei Millionen Menschen aufnehmen, woher sie auch kommen? Ja, es könnte. Es könnte auch jedem Menschen, der hier lebt, eine Wohnung bieten, eine Arbeit unter menschenwĂŒrdigen Bedingungen und wesentlich mehr Freiheit.

Könnte es, ein, zwei Millionen Menschen integrieren, woher sie auch kommen? Ja, das könnte es. Wenn es ein Projekt fĂŒr eine gemeinsame Zukunft gĂ€be, eine Hoffnung, die geteilt werden und miteinander verbinden kann.

Es wird ungeheurer Aufwand getrieben, um diese Tatsachen vergessen zu lassen. Dieses Land ist nach wie vor reich und es hĂ€tte alles, was es braucht, um die BedĂŒrfnisse seiner Bewohner zu decken. Es gibt keine Notwendigkeit dafĂŒr, dass fast die HĂ€lfte der Alleinerziehenden in Armut lebt, keine Notwendigkeit dafĂŒr, dass das Gesundheitssystem von Jahr zu Jahr schlechter wird, dass die Zahl der Wohnungslosen stetig zunimmt, dass die einzige erkennbare Perspektive in einer fortlaufenden Verschlechterung des Lebens der Vielen zugunsten eines zĂŒgellosen Reichtums der Wenigen besteht.

Dieses Land mĂŒsste keine anderen LĂ€nder plĂŒndern, um seinen Wohlstand zu wahren. Die DDR, die dies nicht tat, war dennoch die achtgrĂ¶ĂŸte Industrienation der Welt.

Die Predigt des „zu wenig“, des „nicht zu finanzieren“ prĂ€gt den politischen Alltag. Es ist die festgehĂ€mmerte Denkgrenze, die davon abhalten soll (und es auch tut), die verordnete Misere in Frage zu stellen. Ganz zu schweigen davon, AnsprĂŒche auf eigenes GlĂŒck zu erheben.

NatĂŒrlich wĂ€re es möglich, in diesem Land in einem Jahr 200 000 Wohnungen zu bauen oder mehr. DafĂŒr brĂ€uchte es nur mehr als zwei Bauarbeiter und fĂŒnf Maschinen, und die Vorgabe, dass mit spĂ€terer Vermietung Gewinn erzielt werden muss, muss fallen.

Alles wÀre möglich. Wir stehen nicht am Ende der Geschichte. Wir können in einem freundlichen und friedfertigen Land leben. Um diesen Gedanken erst gar nicht entstehen zu lassen, wird ein ungeheurer Aufwand getrieben.

Die alltÀgliche Barbarei

Nimmt man einmal diese Perspektive ein, verĂ€ndert sich auch die Wahrnehmung der bundesdeutschen Gegenwart. Dann wird die Tatsache, dass Ärmere mittlerweile zehn Jahre frĂŒher sterben, von einer bedauerlichen Nebenwirkung zur gezielten VernachlĂ€ssigung. Die Tatsache, dass Alleinerziehende in Armut leben, von einer Randerscheinung des Arbeitsmarktes zur amtlichen Kindsmisshandlung. Wie barbarisch diese Gesellschaft wirklich bereits geworden ist, erschließt sich erst, wenn man die verborgenen Möglichkeiten ins Visier nimmt.

Diese Barbarei, die aus der stĂ€ndigen Konkurrenz der Habenichtse im Interesse der Superreichen resultiert, ist inzwischen zum prĂ€genden Merkmal des Alltags geworden. Ein kleines Beispiel fand sich jĂŒngst anlĂ€sslich eines tödlichen Unfalls in MĂŒnchen: ein 15-jĂ€hriges MĂ€dchen wurde von einer Straßenbahn ĂŒberfahren. Weil es Kopfhörer trug, hatte es die Tram nicht gehört. Das UnglĂŒck fĂŒhrte zu einer solchen Woge menschenverachtender Reaktionen, dass die Redaktion der MĂŒnchner Abendzeitung öffentlich erklĂ€rte, die Zusendungen der Leser könnten nicht veröffentlicht werden. MitgefĂŒhl war in der Öffentlichkeit nicht zu finden, schon gar nicht so etwas wie ein gemeinsames GefĂŒhl des Verlustes angesichts des Tods eines Kindes (so wĂŒrde fast jede menschliche Gesellschaft reagieren). Das ist der sichtbare Ausfluss einer gesellschaftlichen Stimmung, in der die kommende Generation nicht lĂ€nger die gemeinsame Zukunft darstellt, sondern nur noch das Reproduktionsprodukt Einzelner. Weil dieses Beispiel weit abseits politischer Fragen liegt, also nicht durch PropagandafeldzĂŒge etwa gegen Arme beeinflusst ist, zeigt es sehr deutlich den Geisteszustand dieser Republik.

Die behauptete HumanitĂ€t durch die Aufnahme der FlĂŒchtlinge ist also eine offiziell verordnete Dekoration ĂŒber der tiefen Barbarei, und wird zudem noch als Mittel genutzt, um eine wirkliche Wahrnehmung des Zustands zum Schweigen zu bringen.

Merkel hat diese Sicht bei ihrem Auftritt in der Bundespressekonferenz im letzten August deutlich ausformuliert: „Wenn so viele Menschen so viel auf sich nehmen, um ihren Traum von einem Leben in Deutschland zu erfĂŒllen, dann stellt uns das ja nun wirklich nicht das schlechteste Zeugnis aus. Unsere Freiheit, unser Rechtsstaat, unsere wirtschaftliche StĂ€rke, die Ordnung, wie wir zusammenleben das ist es, wovon Menschen trĂ€umen, die in ihrem Leben Verfolgung, Krieg, WillkĂŒr kennengelernt haben. Die Welt sieht Deutschland als ein Land der Hoffnung und der Chancen, und das war nun wirklich nicht immer so.“ So ist das. Menschen trĂ€umen von Deutschland, und daher ist jede Kritik an den hiesigen ZustĂ€nden unangebracht.

Noch einen Schritt weiter ging jĂŒngst der SPIEGEL in seiner Kommentierung des Armutsberichts des ParitĂ€tischen: „Es ist fahrlĂ€ssig, den Eindruck zu erwecken, dass es vielen Menschen in Deutschland immer schlechter geht. Wer wider besseres Wissen so tut, als könnten immer mehr MĂ€nner und Frauen trotz harter Arbeit oder gestiegener Hartz IV-BezĂŒge kein wĂŒrdiges Leben fĂŒhren und zum Beispiel ihren Nachwuchs nicht mehr angemessen ernĂ€hren, der handelt verantwortungslos. Er trĂ€gt weitere Unruhe in jene Teile der Bevölkerung, die wegen der FlĂŒchtlingskrise ohnehin schon verunsichert sind, und treibt denjenigen WĂ€hler und UnterstĂŒtzer zu, die einfache Antworten liefern.“ Das „wider besseres Wissen“ ist natĂŒrlich blank gelogen. In der Schlußfolgerung zeigt sich allerdings, was als Nebenprodukt der vermeintlichen HumanitĂ€t abfallen soll – ein Schweigegebot ĂŒber das heimische Elend.

Damit zeigt sich jetzt offen, was bei der Inszenierung des vergangenen Sommers erst zu ahnen war – humanitĂ€r ist nur das, was die Regierung so nennt, und wer andere Fragen aufwirft, ist schon allein dadurch ein schlechter Mensch. Wer nicht Rassist genannt werden will, oder Helfershelfer der Rassisten, soll ĂŒber die soziale Wirklichkeit dieser Republik schweigen. Und weil, wie oben dargestellt, die Wahrnehmung der wirklichen Möglichkeiten dieses Landes nicht existiert, sondern alle, auch die politische Linke, sich darauf einlassen, so zu tun, als wĂ€ren allerhöchstens winzige Verbesserungen möglich, funktioniert diese moralisierende Zensur.

Was dadurch allerdings nicht hergestellt werden kann, ist wirkliche HumanitĂ€t. Die ist nĂ€mlich nicht teilbar in jene, die man gerade besonders lieb hat und jene, die einem inzwischen gleichgĂŒltig sind. Ein humanes Deutschland mĂŒsste sich um die Alleinerziehenden, die Armen, die Wohnungslosen ebenso kĂŒmmern wie um die FlĂŒchtlinge. TatsĂ€chlich kĂŒmmert es sich um alle Genannten nicht, und die gesamte Gesellschaft sinkt immer tiefer in die barbarische Konkurrenz jedes gegen jeden, und die nur behauptete HumanitĂ€t fĂŒhrt dazu, das Sinken noch weiter zu beschleunigen.

Die Ohnmacht des Einzelnen

Eine Herrschaft von Wenigen ĂŒber Viele hat immer eine Grundvoraussetzung – dass sich die Wenigen einig sind, die Vielen aber nicht.

Wenn in der Geschichte der Arbeiterbewegung von SolidaritĂ€t die Rede war, ging es genau darum, der Macht der Wenigen durch die VerbrĂŒderung der Vielen etwas entgegenzusetzen. Es ging nicht um Edelmut oder NĂ€chstenliebe oder andere hehre Ideale. Es ging um die Grundvoraussetzung des Widerstands. Einzeln ist der Oligarch mĂ€chtig, wir sind es nicht. Die Barbarei, die sich in unserer Gesellschaft ausbreitet, stĂ€rkt die Oligarchen und schwĂ€cht die besitzlosen Klassen. Wer Seinesgleichen als Konkurrenten sieht und nicht als BĂŒndnispartner, kann sich nicht zur Wehr setzen, von einer wirklichen Beendigung barbarischer VerhĂ€ltnisse ganz zu schweigen.

Das Problem dabei: die eigene SchwĂ€che und die Konkurrenz gegeneinander ist das, was man alltĂ€glich erlebt. Ich bekomme den Job oder du, ich bekomme die Wohnung oder du
 und der inszenierte Mangel wie die Propaganda tun ihr Übriges. Solange der wirkliche Kampf, der Unten gegen Oben, nicht stattfindet, muss man sich immer wieder gezielt ins Bewusstsein rufen, dass man nicht hilfloses Opfer ist, dass die Macht der Wenigen auf tönernen FĂŒĂŸen steht und dass diese Gesellschaft reich genug ist, um alle angemessen zu versorgen. Das ist ein bestĂ€ndiges Ringen. MĂŒhsam und anstrengend.

Um diese einfache, aber gefĂ€hrliche Erkenntnis zu verhindern, dass die Vielen jede Macht der Wenigen zu Nichte machen können, werden alle Mittel genutzt. Es werden ganze Bewegungen aus der Taufe gehoben, um abzulenken – Syriza in Griechenland war ein schönes Beispiel dafĂŒr. Neue Parteien als Spielzeug, neue Themen als BeschĂ€ftigungstherapie, und als letzte Bastion eine Geschichtsschreibung, die jede Möglichkeit, die Massen könnten selbst ĂŒber ihr Schicksal bestimmen, abstreitet. Jede Art der Spaltung wird genutzt, jede Chance, einen Teil der Unteren gegen den anderen zu stellen. Weshalb die wichtigste Regel, ob nun marxistisch begrĂŒndet oder nicht, fĂŒr jede Art von Widerstand lautet: jede Variante, die den eigenen Nachbarn, gleich wie er aussieht und woher er kommt, zum Feind erklĂ€rt und nicht die Oligarchie, mit tiefem Mißtrauen zu betrachten und grĂŒndlich daraufhin zu ĂŒberprĂŒfen, ob hier ein weiteres Scheingefecht aufgezogen werden soll, um die Macht zu stĂŒtzen.

Momentan scheinen viele den Umgang mit den FlĂŒchtlingen fĂŒr eine Schicksalsfrage dieses Landes zu halten, auf beiden Seiten, der ‘links’ und der ‘rechts’ ettikettierten. Die Schicksalsfrage dieses Landes lautet aber ganz anders, schon seit hundert Jahren: ob die breite Mehrheit der Bevölkerung bereit ist, sich den Interessen der Oligarchie, des Konglomerats aus Banken und Konzernen, zu unterwerfen, oder selbst ĂŒber ihr Leben entscheiden will. Man kann sich gut vorstellen, wie in den oberen Etagen schmunzelnd betrachtet wird, wie die einen sich in Fortsetzung der tĂ€glichen Barbarei gegen die FlĂŒchtlinge wenden und die anderen sich schĂŒtzend vor sie werfen; wie von oben auf vielerlei Art Öl ins Feuer gegossen wird, um möglichst nahe an bĂŒrgerkriegsĂ€hnliche ZustĂ€nde zu kommen, und wĂ€hrenddessen die Planungen fĂŒr den Notstand genĂŒĂŸlich auf aktuellen Stand gebracht werden. Und ich wĂŒrde gerne alle Köpfe mit den HĂ€nden greifen, auf die TĂŒrme in Frankfurt richten und sagen, „hic Rhodus, hic salta“, dort sitzt der wahre Feind.

Je schĂ€rfer die WidersprĂŒche werden, desto wichtiger wird es, sich nicht von spontanen GefĂŒhlen ĂŒberwĂ€ltigen zu lassen. Von keiner der dargebotenen ErzĂ€hlungen. Sondern nĂŒchtern zu betrachten, wo die wirklichen Interessen liegen. Und das wirkliche Interesse der weit ĂŒberwiegenden Mehrheit besteht darin, die rĂ€uberische Herrschaft der Oligarchien zu beenden. Nicht mehr und nicht weniger. An dieser Frage hĂ€ngt die Möglichkeit des kleinsten alltĂ€glichen GlĂŒcks, aber auch die Frage unseres Überlebens als Gattung.

Und die Macht kann gebrochen werden. Vor 145 Jahren, am 18.MĂ€rz 1871, ermöglichte die Pariser Kommune einen ersten Blick darauf, wie das geschehen kann. Über den Donbass wird vor allem deshalb so erbittert geschwiegen, weil auch dort die Menschen ihr Schicksal in die eigenen HĂ€nde genommen haben; unvollkommen, sicher, aber dieser erste Schritt ist es, der nicht wahrgenommen werden darf. Brecht brachte diesen Wendepunkt im Denken in seinem Gedicht „Resolution der Kommunarden“ so auf den Punkt:

In ErwÀgung unsrer SchwÀche machtet
ihr Gesetze, die uns knechten solln.
Die Gesetze seien nun nicht mehr beachtet,
in ErwĂ€gung, dass wir nicht mehr Knecht sein woll’n.

In ErwÀgung, dass ihr uns dann eben
mit Gewehren und Kanonen droht
haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben
mehr zu fĂŒrchten als den Tod.

FĂŒr alle, die nicht wissen, was die Pariser Kommune war und warum sie nach wie vor ein Leuchtfeuer der Hoffnung ist, hier ein Link auf ein Video des ORF aus dem Jahr 1977; eine Dramatisierung der Kommune durch die österreichische Gruppe „Die Schmetterlinge“ (manche kennen Teile daraus vielleicht schon aus der „Proletenpassion“):

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Das neue Mittelalter

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Heute vor 17 Jahren begann der erste der lange Reihe von NATO-Kriegen und ÜberfĂ€llen mit dem Ziel des “Regimewechsels”; am 24. MĂ€rz 1999 begann die NATO die Bombardierung Belgrads. Gleich, wie man den damaligen Konflikt beurteilt – der Bruch des Völkerrechts, der damals geschah, blieb bis heute bestehen. Und kaum jemand ist ĂŒbrig, der das Ergebnis, die Mischung aus FlugzeugtrĂ€ger, Bordell und Mafiazentrale namens Kosovo, noch fĂŒr eine Rechtfertigung dieses Handelns hĂ€lt. Die NATO hat sich damals als Richter und Henker in einem etabliert und die am damaligen Verbrechen beteiligten Staaten haben seitdem in unterschiedlicher Zusammensetzung eine breite Blutspur um den Globus gezogen.

(Übrigens war die NATO damals problemlos im Stande, Öllager zu identifizieren und zu bombardieren, was ihr seltsamerweise bei Daesh um keinen Preis gelingen will).

Seit diesen Ereignissen ist das, was einmal die deutsche Linke war, tief gespalten. Die GrĂŒnen verwandelten sich von der Friedens- zur Kriegspartei, aber bis heute ist es nicht gelungen, sie als die reaktionĂ€re Kriegspartei zu behandeln, die sie tatsĂ€chlich sind. Dass heute viele Menschen nicht mehr wissen, wofĂŒr die Begriffe ‘links’ und ‘rechts’ eigentlich stehen, ist die Konsequenz dieses Verrats.

Es dĂŒrfte ebenfalls dieser Angriff gewesen sein, der am Ende jenes Jahres dazu fĂŒhrte, dass die noch funktionsfĂ€higen Teile des russischen Sicherheitsapparats dafĂŒr sorgten, die trunkene Marionette Jelzin durch Wladimir Putin abzulösen. Denn es war bereits an diesem Datum zu erkennen, dass kĂŒnftig jedem Land, das es wagt, eigene Interessen gegen die Diktate des NATO-Hauptquartiers zu stellen, ein Ă€hnliches Schicksal bereitet wĂŒrde.

Am 26. MĂ€rz 1999 gab es in Athen, auf dem Syntagma-Platz, ein großes SolidaritĂ€tskonzert des Komponisten Mikis Theodorakis. Davor veröffentlichte er in der griechischen Tageszeitung To Vima einen Text, den man rĂŒckblickend nur als prophetisch bezeichnen kann. Wenn man sich fragt, warum Griechenland so grĂŒndlich durch die AusteritĂ€tspolitik der Troika zerstört werden musste, dann mag der damalige griechische Widerstand gegen die Politik der NATO einer der GrĂŒnde dafĂŒr sein.

Die NATO, die neue Heilige Allianz

Mikis Theodorakis
(Deutsch von Guy Wagner)

Die Ereignisse in Jugoslawien haben uns ĂŒberrascht

Die Ereignisse in Jugoslawien haben uns ĂŒberrascht. Weniger die Bombardierungen an sich, (daran hatten wir uns mit dem Golfkrieg gewöhnt), als vielmehr die Projizierung einer NEUER ZEITauf die internationalen BĂŒhne, welche jenen Zeitabschnitt in den MĂŒlleimer der Geschichte wirft, der dem Zweiten Weltkrieg folgte und die internationalen Regeln in dem Rahmen festgelegt hat, in dem wir wĂ€hrend der letzten HĂ€lfte des Jahrhunderts gelebt haben, und dies zu Bedingungen, die von allen akzeptiert wurden.

Die Jahre, die dem Untergang des Nazismus und der GrĂŒndung der Vereinten Nationen folgten, sind gewiß nicht idyllisch gewesen; die meisten sind von den RivalitĂ€ten des kalten Krieges, der atomaren Bedrohung und unzĂ€hligen Konflikten aller Arten gezeichnet worden, die die Menschheit zahllose Opfer gekostet haben.

Der große Besiegte dieses Zeitabschnittes ist der Kommunismus, sowohl als Staatsform als auch als Ideologie und ParteiprĂ€senz. Die Anstrengungen zweier Jahrhunderte der Suche und der Anwendung des sozialistischen Ideales, mit dem Ziel der Erbauung einer gerechteren und humaneren Gesellschaft, sind in einer einzigen Nacht zusammengebrochen und haben den Kapitalismus als Sieger ins Zentrum der Festung des Kommunismus, nach Moskau, gebracht und von dort in alle LĂ€nder des “realen Sozialismus”, von wenigen Ausnahmen abgesehen.

Die Proklamation der USA als einziger Supermacht war die natĂŒrliche Konsequenz. FĂŒr sie besteht keine Angst mehr vor einem Gegner, wĂ€hrend, parallel dazu ihre wirtschaftliche Durchdringung und Herrschaft auf keine substantiellen Hindernisse mehr stoßen.
Das Europa, das aus der WĂ€hrungsunion auftaucht, kann nicht als ein ernster Opponent gegen die weltweite Herrschaft der Vereinigten Staaten angesehen werden, da die amerikanischen Gelder dafĂŒr gesorgt hatten, tief in die europĂ€ische Wirtschaft einzudringen und eine wesentliche und bestimmende Rolle in den wirtschaftlichen Entscheidungen Europas zu spielen.

Die wirtschaftlichen Interessen, die MĂ€rkte, die Ölvorkommen und die Garantie eines normalen Betriebes durch die supranationalen Gesellschaften, sowie alles, was mit der vollstĂ€ndigen Kontrolle der USA ĂŒber alle Randzonen des Globus zu tun hat: es ist nur normal, daß all dies nicht nur durch eine konkurrenzlose wirtschaftliche Macht abgesichert wird, sondern auch durch eine Konzentration von Vernichtungsmitteln ohnegleichen in der Menschheitsgeschichte.

Was wollen die USA denn anderes als dem ganzen Erdball ihren Willen und ihre Interessen fast ohne jede Kontrolle aufzuzwingen?
Wir mĂŒssen das studieren, was unserer Meinung nach den Anfang einer NEUEN ZEIT in der Menschheitsgeschichte begrĂŒndet und sich im Vernichtungskrieg gegen Jugoslawien ausdrĂŒckt, um uns Rechenschaft abzulegen, was sich wirklich in unserer Nachbarschaft ereignet und welches die Konsequenzen fĂŒr unser nationales Leben sein werden.
Wenn wir die Ereignisse nach den in unserer Zeit internationaler Gesetzlichkeit ĂŒblichen Kriterien analysieren, wie sie durch die Existenz der UNO ausgedrĂŒckt werden, so fĂŒrchte ich, liegen wir falsch.

Was sich nĂ€mlich automatisch herausstellt, sind die wirtschaftlichen Faktoren der RĂŒstungsindustrien, die bekanntlich den wesentlichen Faktor der Entwicklung sowohl in den USA als in den großen europĂ€ischen LĂ€ndern darstellen und an diesem neuen Kriegsschauplatz goldene GeschĂ€fte machen: Jeder darf daher behaupten, daß sich ganz einfach diese Interessen hinter den Bombardierungen verbergen.

Er ist bekannt, daß diese Interessen bis heute zu einer ganzen Menge örtlicher Konflikte gefĂŒhrt haben, als Höhepunkt u.a. dem Golfkrieg vor zehn Jahren, ohne daß man sich aber ĂŒber den Sicherheitsrat und die UNO hinweggesetzt hĂ€tte. Jedenfalls waren die USA bemĂŒht, den Schein zu wahren.

Im Falle Jugoslawiens wurde deutlich, daß das Direktorium der NATO-Staaten nicht nur die UNO mit Verachtung behandelt hat, sondern alles getan hat, damit diese Verachtung von den Medien wahrgenommen wurde, so als ob man eine Botschaft in alle Himmelsrichtungen schicken wollte.

Und diese Botschaft ist klar:
-Die internationale Gesetzlichkeit, so wie sie in der Satzung der UNO festgelegt wurde, ist abgeschafft,
-Der Sinn und die Substanz der Staats-SouverÀnitÀt sind abgeschafft,
-Das Gleichgewicht der Weltordnung ist abgeschafft.

Was wird an ihrer Stelle vorgeschlagen?

Ein neue Heilige Allianz mit den USA anihrer Spitze , umgeben von den stĂ€rksten europĂ€ischen LĂ€ndern, um das neue Direktorium zu begrĂŒnden, das den Rahmen der NATO benutzt, um die anderen LĂ€nder Europas in die Falle zu locken und zu neutralisieren.

Die Heilige Allianz proklamiert die NATO, das heißt, ihr kriegerisches Organ, zur höchsten Instanz, deren neue Prinzipien kĂŒnftig das einzige Gesetz darstellen, dem sich alle Völker der Erde zu beugen haben.

Die Entdeckung der “menschlichen SensibilitĂ€t” ist, das muß man zugestehen, eine kluge Bewegung, die zum Ziel hat, jene Reaktionen zu neutralisieren, welche die Völker Europas und Amerikas sowie die Weltmeinung ganz allgemein im ersten Stadium der Schaffung und der AnkĂŒndigung des neuen Instrumentes der weltweiten Herrschaft zeigen könnten.

In Wirklichkeit handelt es sich nicht darum, eine Unterwerfung zu erreichen, sondern eine begeisterte Identifizierung, wie man sie ĂŒbrigens bei den Amerikanern sieht, eine Identifizierung, die, meiner Meinung nach, die alleinigen wirtschaftlichen und anderen EinsĂ€tze bei weitem ĂŒbertrifft.

Diese Identifizierung spiegelt sich in der öffentlichen Meinung der europĂ€ischen LĂ€nder, bei den politischen, sozialen und anderen Akteuren, selbst innerhalb des europĂ€ischen Linken: es ist ganz einfach unmöglich, daß von einem Augenblick zum andern alle von kollektiver Blindheit geschlagen wurden, daß sie nicht sehen und verstehen, was evident ist, und daß sie diese Konzentration von Mitteln einer beispiellosen Massenvernichtung von Individuen, Bevölkerungen und humanitĂ€ren Leistungen rechtfertigen. Als ob der Balkan der Ort und seine Einwohner die Kinder eines Untergottes wĂ€ren, der sie nichts angeht. Da noch von ökologischer Zerstörung zu sprechen, klingt wie ein ĂŒbler Scherz.

Was geschieht also?

Ich habe Angst, daß die EuropĂ€er nur zu gut verstanden haben und daß sie sich glĂŒcklich schĂ€tzen, daß ihr Herrscher sie zu seinen AuserwĂ€hlten zĂ€hlt.

Immerhin, sind sie nicht irgendwie ĂŒberlegen? Gehören sie nicht zur gleichen Rasse? Jene, die die erdrĂŒckende Mehrheit dargestellt hat, welche die USA begrĂŒndeten mit den Einwanderern, jetzt ihren Nachkommen und kĂŒnftig den “Planitarchen”- den Beherrschern des Planeten- die ihnen die Hand reichen und sie einladen, zusammen die NEUE ORDNUNG DER DINGE anzuwenden, die bestrebt sind, sich auf den Ruinen von Jugoslawien abzusichern und all jenen, die sich noch den Befehlen der neuen Herrscher der Erde widersetzen wollen, anhand dieses Beispiels zu zeigen, was ihnen droht.

Zum Abschluß dieses Artikels fragt ich mich, ob sich hinter alledem keine sehr alten kulturellen Differenzen verbergen.

Der westliche Mensch, der von seinen Phobien des kalten Krieges befreit ist, seine Feinde ruiniert sieht und sich an seiner Kraft berauscht, hat er in sich seine alte SĂŒffisanz und Lust auf die totale wirtschaftliche, politische, militĂ€rische und kulturelle Herrschaft gespĂŒrt?

Hat er von neuem seine eiserne Kreuzritter-RĂŒstung angelegt?
Haben Sie wohl verstanden?
Ist dies der Beginn des neuen Mittelalters?

Am Abend des Konzertes ergÀnzte Theodorakis diesen Text mit einer weiteren kurzen Rede:

“Gestern, in Washington, haben die Vereinten Nationen das Todesurteil, die Ermordung des Völkerrechts unterschrieben. Gestern, in Washington wurde das Recht des Dschungels, das Recht des StĂ€rkeren unterschrieben. Jetzt können die Vereinigten Staaten zusammen mit den europĂ€ischen LĂ€ndern urteilen, ein Urteil fĂ€llen und Strafen ĂŒber all jene verhĂ€ngen, die denken, all jene, die denken, sie passen nicht in ihre PlĂ€ne. Es ist keine Übertreibung, zu sagen, dass wir in ein neues Mittelalter eintreten. Warme Kleidung und Schuhe, Baumwollschals und Handschuhe
 es kommt eine neue Eiszeit.

Als die Bombardierungen begannen, sagte ich, dass die Völkerrechtsverbrechen und Morde, die erwĂ€hnt wurden, nur als Entschuldigung dafĂŒr dienen, dass ihnen GesprĂ€che gleich sind, und ÜbereinkĂŒnfte fĂŒr eine Lösung, und dass es ihr Hauptziel ist, Jugoslawien in ein verbranntes Land zu verwandeln, und das werden sie tun, wenn es keinen Widerstand gibt. Sie wollen Serbien zu einer WĂŒste machen, zu einer WĂŒste aus Asche und Blut, damit es anderen Opfern als Beispiel dient, und sagen: “Ihr seht, was geschieht, wenn ihr nicht gehorcht.”

Wir Griechen können stolz sein, denn wir sind die Einzigen, die einig sind und entschlossen, NEIN zur Barbarei zu sagen! Wir stehen an der Seite unserer serbischen BrĂŒder, der Opfer, und wir wollen das Heulen der Sirenen und das Pfeifen der Raketen mit unserem Lied ĂŒbertönen. Belgrad, heute singen wir fĂŒr dich!

Lasst uns alle laut miteinander singen, damit wir gehört werden. Wir sind mit euch, also seid mutig! Die Gerechtigkeit ist auf eurer Seite, und die Gerechtigkeit siegt am Ende immer. Ich könnte sagen, wir sollten singen, damit die EuropĂ€er uns hören, aber ich fĂŒrchte, das ist Zeitverschwendung. Die meisten dort sind blind und taub.”

Gedenken wir heute der damaligen Opfer: der Menschen in Jugoslawien, und des Völkerrechts.

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Missbrauchsfall OSZE – Die Umkehr des Kosovo im Donbass

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Mark Bartalmai

Noch einmal ein Text von Mark, diesmal ĂŒber das Verhalten der OSZE im Donbass. Es lohnt sich durchaus, seinen Blog auf die LektĂŒreliste zu nehmen
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Zu einem Missbrauch gehören immer mindestens zwei – einer der missbraucht wird und einer der missbraucht. Manchmal sind es aber noch viel mehr Missbraucher. Im Falle der OSZE sogar ganz viele. Eine unbekannte Anzahl an Interessengruppen und vor allem Medien. Und manchmal – aber nur manchmal – liegt so ein seltsamer Geruch in der Luft. Ein Geruch, als ob die OSZE sich gar selbst missbraucht und nicht nur Missbrauchsopfer ist.

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Ich sehe sie förmlich vor mir, die Schreiber von Spiegel und FAZ. Wie sie sich wichtig versammeln in diesem Hotel in Berlin, um mit Alexander Hug, dem stellvertretenden Chef der Special Monitoring Mission (SMM) der OSZE fĂŒr die Ukraine, zu sprechen – fast beinahe exklusiv, versteht sich. Sie interviewen jemand Wichtigen, der einen Namen hat in der gegenwĂ€rtigen Konfliktgeschichte, die da geschrieben wird in Europa. Sie sind die Speerspitze der freiheitlich-demokratischen Berichterstattung, diese Journalisten der “Großen” in der Hauptstadt. In Donezk wiederum lĂ€uft das so: Nelja und ich erfahren per Telefon von der Pressekonferenz der OSZE 10 Minuten vor ihrem Beginn. Wir sind auf dem Weg, Waschmittel und Toilettenpapier zu kaufen. Wir halten auf dem Weg zum Supermarkt am Park Inn an, wo die OSZE untergebracht ist und machen unseren Job. Berichterstattung. Es ist unsere Arbeit hier. In Berlin ist sicher mehr Glamour dabei. Alles irgendwie mehr “Wow!”. Denn in Berlin hat Alexander Hug der FAZ und Spiegel Online wahrscheinlich endlich die ersehnten Beweise fĂŒr die grauenhaften “Separatisten” und die “russischen Truppen” geliefert. Zumindest, wenn man die Artikel liest.

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Doch, wenn man Alexander Hug bei seiner Pressekonferenz in Donezk (nach Erscheinen des FAZ- und SPON-Artikels) am 21. MĂ€rz 2016 so zuhört, ĂŒberkommt einen das Grausen, wenn man sich die KaltschnĂ€uzigkeit der “Wortklauber” des deutschen Mainstreams vor Augen hĂ€lt. Aber man spĂŒrt auch, dass die OSZE irgendwie auch Teil des Spiels ist und nicht nur von der Journaille in gewĂŒnschten und abenteuerlichen Kontexten auszugsweise zitiert wird, wenn es passend ist. Zitiert von Leuten, die nach dem Interview ins Berliner Nachtleben abtauchen, sich feiern und keine Ahnung vom Krieg haben, weil sie nie da waren, wĂ€hrend Journalisten hier ihre Splitterschutzwesten im Kofferaum haben und oft abends mit Artillerie einschlafen.

FAZ und Spiegel spielen geschickt auf der Propagandatonleiter. “Selten so, dass man es direkt durchschaut
”, wie BAP’s Niedecken einst in “Kristallnaach” sang. Sie vermischen subtil ihre russophobe Meinung mit Zitaten oder Satzfetzen von Alexander Hug. Und sie greifen nur auf genehme Zitate zurĂŒck, setzen sie in einen ĂŒblen Kontext und verzerren sich das Bild zurecht, bis es ihnen passend scheint. Nicht ein einziger westlicher Mainstream-Journalist sitzt hier in Donezk im Raum. Deutscher bin hier nur ich. Aus dem Westen sind es nur ein Finne nur ich.

Alexander Hug ist der Einzige, der hier spricht – sprechen darf. OSZE-Mitarbeiter vor Ort (ca. 750) sind zum Schweigen verdonnert. Wenn man also etwas erfahren möchte, studiert man die tĂ€glichen OSZE-Berichte oder wartet auf Alexander Hug, der ab und an auftaucht in Donezk fĂŒr eine Pressekonferenz und Vor-Ort-Besichtigungen. Ist er nicht da, ist zumindest verbal Ruhe im OSZE-Kosmos. Alexander Hug sagt in Donezk zumindest wĂ€hrend der ganzen Zeit nicht einmal “Separatisten”. Der FAZ ist das zu wenig. Sie macht aus ihrer einseitigen Sichtweise kurzerhand – Zitat:

„Zu 85 bis 90 Prozent“ seien an solchen Übergriffen die Separatisten schuld.

und

Noch klarer ist die Lage, wo Beobachter bedroht oder eingeschĂŒchtert werden. Solche Übergriffe kommen Hug zufolge „ausschließlich“ von Seiten der Separatisten


sowie

Es sind also die Separatisten, die die OSZE behindern, und die Frage ist: Wer steht hinter ihnen?

Alle Zitate aus FAZ (Warum geht das Sterben in der Ukraine weiter?)

Das milimetergenaue Spiel mit den AnfĂŒhrungszeichen ist beinahe brilliant.

Der Spiegel geht noch weiter. Er zitiert Hug sogar in Interviewform – Zitat:

SPIEGEL ONLINE: Ihre Beobachter werden immer wieder daran gehindert, bestimmte Orte aufzusuchen. Warum?

Hug: In 90 Prozent der FĂ€lle sind es die Separatisten, die uns behindern


Zitat aus SPON (Ukraine-Krise: Europas vergessener Krieg)

Hug ist Schweizer Diplomat. Er spricht sehr vorsichtig und ĂŒberlegt. Immer. Ich erlebe ihn persönlich, seit er hier ist in diesem Krieg. Alexander Hug spricht nicht von “Separatisten”. Nie. Zumindest nicht in Donezk vor der Kamera. Wie gesagt, er ist Schweizer Diplomat.

Die “Behinderungen” gibt es “seit ein paar Wochen”. Seit die Kampfhandlungen sich intensiviert haben. Ich erfahre, dass die Kontrollen sich auch massiv erhöht haben, damit einher gehen auch höhere Ablehnungszahlen. Ist irgendwie alles relativ. Seltsamerweise kann ich zu jeder Tages- und Nachtzeit an der Grenze auftauchen mit laufender Kamera und werde nicht behindert. Fakt ist – WENN es etwas gibt, “was die OSZE vom Boden aus nicht sehen soll”, sieht man es spĂ€testens auf den hochauflösenden Satelliten- und Drohnenbildern der Amerikaner. Aber irgendwie gibt es nichts zu sehen. Vor allem wird der Aspekt von Aktion und Reaktion völlig ausgeblendet, obwohl dieser maßgeblich zum VerstĂ€ndnis der Situation beitrĂ€gt, wenn er nicht sogar essentiell ist.

Alexander Hug spricht viel bei der Pressekonferenz. Er benennt beide Seiten, wenn es um den Beschuss strategischer Objekte geht, aber er schweigt, wenn die Frage nach den SchĂŒtzen auf zivile Ziele im Donbass gestellt wird. 9.000 tote Zivilisten mĂŒssen einfach durch den Konflikt ums Leben gekommen sein. Irgendwie. Er beschreibt im Detail das zufĂ€llige Auffinden einer Anti-Tank-Mine auf der Straße, als die OSZE unterwegs war. Er erzĂ€hlt genau, wie er sich mit einer 81-JĂ€hrigen Frau unterhalten hat, die in der Konfliktzone seit 20 Monaten ohne Strom lebt. Er Ă€ußert sich detailliert ĂŒber die seit Tagen belagerte und beschossene Filterstation, die ĂŒberlebenswichtig ist fĂŒr 400.000 (vierhunderttausend) Menschen. Er sorgt sich um das angrenzende Chlorid-Lager, dass zur chemischen Waffe wĂŒrde, wĂŒrde es getroffen. Aber er nennt nicht Ross und Reiter. Er erwĂ€hnt nicht, dass die ukrainischen Truppen permanent auf diese Ziele feuern. Zivile Ziele. Auf Nachfragen, wer schießt, bleibt die Rhetorik unbestimmt. Auf mehreren Seiten des GebĂ€udes gibt es EinschlĂ€ge. Und er schweigt (obwohl er redet), wenn man wissen will, welche Seite diejenige ist, die direkte Verhandlungen zwischen den “Konfliktparteien” ablehnt. Auch dann, wenn ich die Frage 3 mal stelle. Er bleibt höflich, aber er sagt es nicht.

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Die Aufgabe der OSZE ist nach eigenem Bekunden “die Etablierung von Dialog zwischen den Parteien” und das “Beobachten der Situation und Berichte”. Ich frage also:”Sagen Sie mir bitte, was Sie sehen, wenn der Dialog nicht zustande kommt, sich eine Seite dem verweigert? Sehen Sie, welche Seite sich verweigert? Welche Seite?”. Die Antwort ist:”Ich kann Ihnen darauf nicht antworten. Dazu habe ich kein Mandat.”

Dieser Artikel stellt nicht die Verfehlungen der Volkswehr infrage, die es ohne Zweifel gibt. Die OSZE-Berichte sind da sehr genau. Aber sie werden auch von Menschen verfasst. Lediglich auf Nachfrage wird der Beschuss am heutigen Tag erwĂ€hnt. Und ja, es waren eben zufĂ€llig ukrainische Truppen, die geschossen haben. Manchmal frage ich mich, was Ă€rgerlicher ist – in ein Objekt nicht hineinzukommen oder unter Granatbeschuss zu geraten.

Die doppelten Standards der deutschen Politik und Medien jedoch treten bei diesem Fall extrem deutlich zu Tage. Fordern Sie doch einerseits die unabdingbare Teilhabe der syrischen “Opposition” und “gemĂ€ĂŸigten Rebellen” sowie der sich immer stĂ€rker separierenden Kurden an den Verhandlungen mit Assad und der westlichen Vermittler; andererseits interessiert es sie einen feuchten Dreck, dass Kiew die direkten Verhandlungen mit den selbsternannten Republiken verweigert. Denn hier sind die Bösen, in Syrien die Guten. FAZ- und Spiegel-Logik eben, wahlweise auch gesamtwestliche Logik. Augen zu (wenn nötig) und durch.

Die jĂŒngsten Entwicklungen in Saizewo mit massivstem ukrainischen Beschuss ziviler Ziele und Opfern unter der Zivilbevölkerung z. B. bleiben unerwĂ€hnt, weil die OSZE sich nicht dorthin traut, ohne dass die Sicherheit ihrer Mitarbeiter garantiert ist. Nachvollziehbar ist es durchaus, aber wenn eine “Beobachtermission” Bombardierung und Beschuss nicht beobachtet, sondern spĂ€ter vor Ort versucht, SchlĂŒsse zu ziehen, bleiben große LĂŒcken in der Berichterstattung. NachtrĂ€glich “beobachtet” kann alles Mögliche möglich sein oder eben auch nicht.

Irgendwann wird alles klarer. Klarer in dem Augenblick, als Alexander Hug sagt:”Die OSZE-SMM arbeitet mit der Ukrainie und fĂŒr die Ukraine.” Wann hat das jemals ein OSZE-Chef ĂŒber Serbien gesagt, als der Kosovo sich “heldenhaft die UnabhĂ€ngigkeit erkĂ€mpfte”? Racak und Rogovo lassen grĂŒĂŸen. Die Rolle der OSZE war eines der unrĂŒhmlichsten Kapitel des NATO-Angriffs (bzw. “Es begann mit einer LĂŒge” – WDR-Doku 2001) auf Serbien. Menschen, die damals auf die MißstĂ€nde und offensichtlichen LĂŒgen aufmerksam machten wurden verfolgt und diffamiert.

Und es wird noch klarer, wenn eine OSZE Partei ergreift in einem Konflikt – bezeichnenderweise die US-Mission der Organisation fĂŒr Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (ein faszinierendes Detail im Übrigen). Eindeutig und einseitig – wie im Falle von N. Savchenko. Klarer kann man sich nicht positionieren (siehe hier).

Übrig bleibt zum Einen der Eindruck, dass einzelne Protagonisten (nicht alle) der OSZE-Mission in Serbien teilweise aktiv zum Kosovo-Krieg beigetragen bzw. wiederum andere Protagonisten nicht vehement genug die Fehlentwicklungen angemahnt haben und zum Anderen wiederum die OSZE das entscheidende ZĂŒnglein an der Waage im Donbass ist – unter umgekehrten Vorzeichen. Aber immer irgendwie im Interesse des Westens.

Haben die OSZE und die Weltöffentlichkeit aus dem Kosovo-Disaster gelernt? Wie sagte Alexander Hug:”Wir erbringen ein Höchstmaß an ObjektivitĂ€t bei unserer Arbeit.”. Ja, das sollte anzunehmen sein. Deutschland hat aktuell den Vorsitz der OSZE. Das sollte fĂŒr Sorgfalt und GrĂŒndlichkeit reichen, oder? Deutschland ist nebenbei das Land mit den meisten russophoben KlĂ€ngen in der Berichterstattung. NatĂŒrlich besteht kein Zusammenhang.

Es gibt noch etwas anderes zwischen Missbraucher und Missbrauchsopfer – man kann sich auch missbrauchen LASSEN. Der Geruch bleibt irgendwie.

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Assad hat in Syrien nicht Seinesgleichen

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Alexej Peskow

ĐŁ АсаЎа ĐŽŃƒĐ±Đ»Đ”Ń€ĐŸĐČ ĐœĐ”Ń‚, nach der englischen Übersetzung von Fort Russ

Normalisierung in Syrien ist ohne seinen gegenwÀrtigen Staatschef unmöglich

Heute wird Syrien von Bashar al-Assad verkörpert, sagt der Historiker und Publizist Nikolai Starikow. Er teilte seinen frischen Blick auf den Prozess vergangener und gegenwÀrtiger Prozesse mit uns.

Alexej Peskow (A.P.).: Wie weit stimmten die erklĂ€rten Ziele unserer FĂŒhrung fĂŒr den militĂ€rischen Einsatz in Syrien mit den wirklichen ĂŒberein?

Nikolai Starikow (N.S.): Ich denke, die erklĂ€rten Ziele stimmen völlig mit dem Plan ĂŒberein. Die Hauptaufgabe Russlands – den Prozess der Staatszerstörung und Chaotisierung im Nahen Osten aufzuhalten, der von den Vereinigten Staaten ausgelöst wurde. Irgendwann mĂŒssten wir uns bemĂŒhen, die Aggression von Amerika geschaffener terroristischer Organisationen gegen Russland ĂŒber Afghanistan und andere LĂ€nder zu verhindern. Wenn die souverĂ€nen Staaten im Nahen Osten wiederhergestellt werden, werden die terroristischen Gruppen auf ihrem Gebiet nicht ĂŒberleben können. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die russische Politik grundsĂ€tzlich von der der Vereinigten Staaten, die unter dem Deckmantel des Kampfes fĂŒr Demokratie mit der Zerstörung von Staaten beschĂ€ftigt sind, und der darauf folgenden Einpflanzung des Terrorismus.

A.P. : Schaden anzurichten ist kein sehr klares Ziel der US-Politik. Vielleicht ist es das vorĂŒbergehende Resultat einiger anderer Bestrebungen.

N.S.: Wir befinden uns in einer neuen Art Krieg – manche nennen ihn hybrid, andere wollen einen anderen Namen erfinden. Russland hat ein bedeutendes Kernwaffenarsenal, das die Nicht-Aggression jedes anderen Staates garantieren soll. Das SchlĂŒsselwort lautet hier „Staat“. Aber was, wenn die russische Föderation von keiner Regierung, sondern von hunderten von Tausenden KĂ€mpfern irgendeiner nicht anerkannten Struktur angegriffen wird, die die Grenzen ĂŒberqueren und versuchen, auf unser Gebiet einzudringen? Es ist klar, dass die Grenzwachen und -truppen anfangen wĂŒrden, der Invasion zu widerstehen, aber dann wĂŒrde sich die Frage stellen nach der Möglichkeit, in einer solchen Situation Kernwaffen einzusetzen. Offensichtlich ist das aus legaler Sicht unmöglich, denn das Nachbarland hat uns keinen Krieg erklĂ€rt, mehr noch – tatsĂ€chlich ist es selbst ein Opfer der selben terroristischen Gruppe. Daher verlagerten unsere ‘Partner’ die bewaffnete Konfrontation auf ein Feld, auf dem der Besitz von Kernwaffen nicht lĂ€nger eine Rolle spielt. Und nicht lĂ€nger eine Garantie gegen Aggression ist. Und wenn wir dazu noch die Wahrscheinlichkeit des Angriffs einer enormen Menge von KĂ€mpfern auf irgendeinen dritten Staat hinzunehmen, mit den sich ergebenden ernsten Folgen fĂŒr Russland, dann entsteht ein völlig neues Bild.

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Nikolai Starikow

Ich meine die LĂ€nder Zentralasiens. Ziemlich arm, mit starken WidersprĂŒchen – es gab aus diesem Grund einen BĂŒrgerkrieg in Tadschikistan. Und der Einmarsch dieser KĂ€mpfer in die Region wird die terroristische Armee sofort auf vielleicht eine Million vergrĂ¶ĂŸern. Kann Russland dem als Beobachter zusehen? Vielleicht – wenn es von jemandem ohne Weitsicht gefĂŒhrt wĂŒrde, der zuversichtlich wĂ€re, dass es keine Folgen fĂŒr uns hĂ€tte. Aber in Wirklichkeit muss sich Russland vor einer solchen Entwicklung der Ereignisse schĂŒtzen. Das ist eine Lage, in der uns unsere Kernwaffen nicht helfen können.

A.P.: Ist die hybride KriegsfĂŒhrung, die Sie beschreiben, das Ergebnis zufĂ€lliger Entwicklungen , die zu einem PhĂ€nomen wurde, oder wurden diese Strategien und Taktiken in den Eingeweiden des Pentagon geboren, oder einer anderen Institution?

N.S.: Man gibt oft PhĂ€nomenen, die lange bekannt sind und wiederholt in die Praxis umgesetzt wurden, einen modernen Namen. Der hybride Krieg ist da keine Ausnahme. Wenn wir die Geschichte britischer Kolonialkriege betrachten, sehen wir: in vielen FĂ€llen hat Britannien keinen Krieg erklĂ€rt, aber ausgewachsene MilitĂ€reinsĂ€tze durchgefĂŒhrt. Die Kanonen feuern, aber es ist kein ‘Krieg’. Also ist jedes diplomatische Handeln, um die Aggression zu verhindern, unmöglich. Die Geschichte kennt FĂ€lle, in denen eine bestimmte dritte Kraft geschaffen wurde, formell nicht mit einer Regierung verbunden, etwa die „Ostindiengesellschaft“, die bei der Eroberung Indiens und anderer LĂ€nder beteiligt war. Im 20. Jahrhundert findet sich ebenfalls eine sehr kennzeichnende Episode – die japanische Invasion in China in den frĂŒhen 1930ern. Und trotz der Tatsache, dass es hunderttausende Opfer unter der chinesischen Bevölkerung gab, ist dieser Krieg kein Teil der ĂŒblichen Geschichte des zweiten Weltkriegs. Als ob er bis 1939 nicht stattgefunden hĂ€tte. Also wurde ein Krieg ohne KriegserklĂ€rung nicht erst heute erfunden.

A.P. : Die GrĂŒnde dafĂŒr, Truppen nach Syrien zu schicken, oder eher, die Motive, werden in diesem Zusammenhang viel klarer. Aber so wie die ganze westliche Welt von der Geschwindigkeit des Handelns zu Beginn schockiert war, so verblĂŒfft war sie von der schnellen Entscheidung zum, wenn auch teilweisen, RĂŒckzug unseres Kontingents. Das hatte niemand erwartet.

N.S.: Ich bin Zivilist, aber soweit ich die Prinzipien militĂ€rischer Taktik und Strategie verstehe, mĂŒssen alle Handlungen militĂ€rischer Kommandeure fĂŒr den Feind unerwartet sein. DafĂŒr gibt es mehrere GrĂŒnde – damit keine Zeit bleibt, zu reagieren, damit es schwierig ist, die Handlungen der anderen Seite vorherzusagen. In Hinsicht auf die Lage im Nahen Osten hat Russland gerade ein solches unerwartetes Handeln gezeigt. Warum? Weil wir die Terroristen vor Ort bombardieren, aber in Wirklichkeit dem bösen Willen der MĂ€chte gegenĂŒberstehen, die sie bewaffnen, beliefern, leiten, mit ihnen Erkenntnisse teilen und die modernsten Waffensysteme aushĂ€ndigen. Die Konfrontation findet nicht mit irgendeiner AufklĂ€rung von ISIS statt, sondern mit den amerikanischen und britischen Geheimdiensten. Daher muss das entsprechende Handeln plötzlich und entschlossen sein, damit der Feind nicht mehrere ZĂŒge im voraus berechnen kann. Wir mĂŒssen begreifen, dass die geopolitische Konfrontation zwischen Russland und dem Westen weitergeht, selbst wenn es vermeintliche „Zusammenarbeit“ gibt, wie in Syrien. Und dann werden die Handlungen der russischen FĂŒhrung sofort klar und logisch.

A.P.: Russlands Handlungen in Syrien – was sollen sie beweisen, und wem?

N.S.: Der brillante Einsatz unserer Luft-Raum-Truppen ist, natĂŒrlich, nicht nur Werbung fĂŒr unsere Waffen. Viel wichtiger – die Entschlossenheit unserer FĂŒhrung, Russlands geopolitische Interessen mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, trotz der Position anderer Staaten. Die ganze Welt muss begreifen, dass das Völkerrecht durchgesetzt werden muss, dass ein Land nicht willkĂŒrlich ein souverĂ€nes Land zerstören kann und dass wir bereit sind, dieses Recht, das von der UN-Charta gestĂŒtzt wird, zu verteidigen. Nach Syrien zwingt unsere FĂŒhrung andere, Russlands Position zu beachten, in weit grĂ¶ĂŸerem Ausmaß, als dies vor Syrien der Fall war.

Unser PrĂ€sident hat mehrere Male die Grundlagen der Geopolitik mit dem Bild von HinterhofprĂŒgeleien erlĂ€utert. Hier stimmt dieses Bild auch. Wenn du den Willen zeigt, deine Interessen zu verteidigen, musst du den Kampf einmal aufnehmen, selbst gegen jene, die offensichtlich stĂ€rker sind und einen verprĂŒgeln können. Aber sie werden sich nicht mehr mit dir anlegen wollen, denn es ist klar – auch wenn sie dir die Nase brechen können, könnten ihre Nasen dabei ebenfalls gebrochen werden. In der Folge wird jeder andere deine Interessen berĂŒcksichtigen.

Russland war immer einer der großen Spieler in der internationalen Politik. Ohne unsere Erlaubnis, hieß es, könnte keine Kanone in Europa einen Schuss abfeuern. Dann erreichten wir ein Niveau, als die „Kanonen“ im Weltmaßstab „nicht feuerten“. Das ganze System der Staatsverteidigung, das auf dem Blut unserer Soldaten aufgebaut war, wurde von Gorbatschow und Jelzin zerstört. Das heute ist nur der Prozess seiner Wiederherstellung.

A.P.: Was, glauben Sie, wird mit Syrien geschehen?

N.S.: Heute ist das Wichtigste fĂŒr Syrien die Erhaltung des Staates. Ja, jetzt ist ein Teil des Gebiets unter Kontrolle der kurdischen Truppen, die nur zögerlich bereit sein werden, die Wiederherstellung der Kontrolle ĂŒber diese Gebiete durch Damaskus zu akzeptieren und um Autonomie verhandeln werden. In dieser Lage werden die Amerikaner darauf setzen, die Kurden zu völligem Ungehorsam der syrischen Zentralregierung gegenĂŒber aufzustacheln, werden „völlige UnabhĂ€ngigkeit“ unterstĂŒtzen und sie ĂŒberreden, den Kampf fortzusetzen.

Einige Provinzen werden unter islamistischen Strukturen bleiben, so dass eine Wiederherstellung völliger Kontrolle ĂŒber das Gebiet durch Syrien ziemlich lange Zeit brauchen wird. Das wichtigste ist heute, dass die Vernichtung der Zentralregierung, was die Zerstörung Syriens als souverĂ€nem Staat bedeuten wĂŒrde, vom Tisch ist.

Internationale Politik ist ein kompliziertes Thema, aber ich kann ein hypothetisches Bild malen, in dem die Dinge anders aussehen. Gott bewahre uns, aber stellen sie sich einen Moment lang vor, dass Bashar Assad persönlich etwas geschĂ€he. Gibt es eine andere Person in Syrien, die genauso entschlossen ist, die Verantwortung fĂŒr den Staat und die Menschen zu ĂŒbernehmen? Wir können die Antwort auf diese Frage nicht gleich finden. Die westlichen Geheimdienste haben oft ihre Ziele erreicht, indem sie politische FĂŒhrer physisch eliminierten. Wann ist es möglich, zu sagen, ein Land gibt es nicht mehr? Zur Zeit der brutalen Ermordung von Muammar Gaddafi. Solange er lebte, gab es die Hoffnung auf die Erhaltung des libyschen Staates. Syrien wird heute durch Bashar al-Assad verkörpert, ob es ihnen gefĂ€llt oder nicht. Daher muss Assad mit allen Mitteln geschĂŒtzt werden, muss man ihm eine gute Gesundheit und politische Weisheit wĂŒnschen. Ich denke, er wird ein Beispiel fĂŒr einen mutigen Kampf fĂŒr die Interessen seines Volkes geben. Niemand, die Amerikaner eingeschlossen, hatte erwartet, dass ein Augenarzt, der in Britannien studiert hat, völlig in die westliche Umgebung integriert war, sich als ein so zĂ€her KĂ€mpfer fĂŒr die Interessen seines Volkes erweisen wĂŒrde.

A.P.: Ihm wurde der Einsatz chemischer Waffen vorgeworfen


N.S.: Das ist ein Mythos. Wenn es Beweise gĂ€be, gĂ€be es bereits ein Verfahren an irgendeinem Gericht in Den Haag, alle Beweise deuten auf eine FĂ€lschung hin. Bemerke: als Russland Syrien vor der bevorstehenden Bombardierung rettete – erinnern sie sich an den brillanten Zug mit dem Vorschlag, die chemischen Waffen zu vernichten – da verlegten die Amerikaner die Zone der InstabilitĂ€t nĂ€her an unsere Grenzen. Da begannen die Ereignisse in der Ukraine. Zu diesem Augenblick war ISIS nirgendwo in Syrien zu sehen, es gab die Freie Syrische Armee, Al Kaida. Und in wenigen Jahren wurde es zu der mĂ€chtigsten dschihadistischen Bewegung. Die Erfahrung lehrt uns, dass das Unkraut einem Mann nicht ĂŒber den Kopf wĂ€chst, außer man wĂ€ssert es mit Absicht.

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Saudi-Arabien enthĂŒllt

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Letzte Woche gab es im englischen Fernsehen eine ungewöhnliche Dokumentation ĂŒber Saudi-Arabien. Ungewöhnlich, weil teils mit versteckter Kamera gedreht und auch, weil sie an vielen Punkten ungewöhnlich wahrhaftig ist. (Deutsche Zuschauer sollten beim Betrachten dieses Videos nicht vergessen, dass die Bundesrepublik ebenso begeistert Waffen an Saudi-Arabien liefert wie Großbritannien
) Hier ist sie jetzt mit deutschen 
 Saudi-Arabien enthĂŒllt weiterlesen →
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Als Politiker war Mosgowoj gefÀhrlicher

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Roman Skomorchow

ЕщД ĐŸĐŽĐœĐ° ĐČĐ”Ń€ŃĐžŃ убОĐčстĐČа ĐœĐŸĐ·ĐłĐŸĐČĐŸĐłĐŸ, ĂŒbersetzt nach der englischen Übersetzung Yet another version of Mozgovoi’s murder

Yet another version of Mozgovoi’s murder.

Manchmal geschieht es, dass eine Geschichte vorbei ist, und es keinen Sinn macht, zu ihr zurĂŒckzukehren. Man kann die Toten nicht wiederbeleben, und Fragen von Ehre und GedĂ€chtnis sind mancherorts ohne Bedeutung, milde gesagt. Aber was diese Geschichte angeht, konnte ich mich nicht zufrieden geben. Es waren, offen gesagt, darin zu viele eigenartige und unerklĂ€rte Punkte.

Nach dem zweiten Anschlag auf sein Leben haben wir unsere Ansichten und Schlussfolgerungen veröffentlicht. Alexej Borisowitsch (Mosgowoj) lachte ĂŒber sie. Auch wenn eine der Versionen nahe dran war. Nach dem dritten (erfolgreichen) Versuch mussten wir unsere Schlussfolgerungen ohne seine Kommentare ziehen. Beinahe blind. Um ehrlich zu sein, war keine unserer vier Hypothesen zutreffend. Schlicht, weil wir bestimmte Dinge nicht wussten. Dies hier ist also kein Versuch, es nach offensichtlichen IrrtĂŒmern in der Betrachtung zu korrigieren, sondern ein Versuch, zu zeigen, was wirklich geschehen ist. Das ist wichtig, weil die meisten Beteiligten am Leben und wohlauf sind, und weiter arbeiten und dienen.

Ich will es euch gleich sagen, ich habe in den ganzen zehn Monaten nach dem Ereignis weiter gegraben. Nicht mit dem Bagger, eher mit kleiner Schaufel. Ich redete mit Leuten, die mir etwas sagen konnten. Schrieb Briefe. Erhielt Antworten. Las unterschiedliche Meinungen und Erinnerungen. Aber es entstand kein schlĂŒssiges Bild.

Ein Zufall kam zur Hilfe. Ich bekam den Briefwechsel von Anna Sameluk und Alexej Mosgowoj mit einer Person in Kiew in die HĂ€nde. Das Wertvollste findet sich in Annas Briefen, weil Alexej Mosgowoj seinen eigenen Stil hatte, wenn er Briefe schrieb. Er hasste es. In den eineinhalb Jahren, in denen wir kommunizierten, erhielt ich insgesamt 5 (fĂŒnf) Briefe von ihm, mit insgesamt 107 Worten. Dabei sind PrĂ€positionen und Pronomen mitgezĂ€hlt. Er hasste es, zu schreiben, und da ließ sich nichts machen.

Die AuthentizitĂ€t dieses Briefwechsels wurde ĂŒberprĂŒft und steht außer Zweifel. Diese Briefe stammen von den Leuten, die sie unterzeichnet haben. Es ist nicht wichtig, wie gut ich den Schreibstil der Protagonisten kenne. Bis MĂ€rz wusste ich von vielen Dingen, die in diesen Briefen diskutiert wurden. Und natĂŒrlich wurde ich in diesen Briefen erwĂ€hnt.

Es sind etwas ĂŒber 500 Seiten. Ich musste sie alle lesen. Als ich damit fertig war, und dann die Dokumente sorgfĂ€ltig betrachtete, entstand ein klares Bild.

Ein paar Worte ĂŒber eine Person, die mit Mosgowoj und Sameluk korrespondiert hat. Er lebt in Kiew. Er ist kein Rebell. Er arbeitete mit Anna zusammen und half ihr dabei, ihr Informationsprojekt zu starten. Übrigens ziemlich erfolgreich. Auf seinen Vorschlag hin fing Mosgowoj an, mehr ĂŒber allgemeine als ĂŒber spezifisch militĂ€rische Probleme zu reden, und er verdankte einen guten Teil seiner politischen Anerkennung dieser Empfehlung. Und die Schritte, die die Kette der Ereignisse auslösten, wurden seinem Plan folgend unternommen.

Also, was passierte Anfang letzten Jahres?

Hier ist, was passiert ist. Sobald die Reform der Armee der LNR begann, geriet die Brigade Prisrak („Geist“, Mosgowojs Brigade) unter Druck. Die MĂ€chte wollten sie in ein Korps integrieren oder auflösen, wie sie es mit den Kosakeneinheiten taten. Ich denke, jeder erinnert sich an die Empörung, mit der auf diese PlĂ€ne reagiert wurde.

Das Hauptproblem war, dass Mosgowoj, trotz der AnnĂ€herungen der Regierung der LNR, den Kontakt verweigerte. Er lehnte die Stellungen eines stellvertretenden Verteidigungsministers und eines stellvertretenden Innenministers ab, die ihm angeboten wurden. Ich weiß nicht, ob er ein guter Minister gewesen wĂ€re, aber die Angebote wurden irgendwann zurĂŒckgezogen, und Mosgowoj blieb mit leeren HĂ€nden. Außerdem zerfiel die Brigade, weil Finanzierung und Versorgung fehlten. Wichtiger noch, auch, weil es keine Perspektiven fĂŒr die Soldaten gab. Es ist eine Sache, in einer offiziellen Einheit zu dienen und eine ganz andere – in einer Einheit mit ungewisser Zukunft. Die Soldaten gingen.

In der Folge wurde Prisrak zu einem Bataillon, das aus zwei Kompanien bestand, vor allem aus Einheimischen und Leuten, die den Ideen und der Persönlichkeit Mosgowojs verpflichtet waren. Im MĂ€rz 2015 gab es also keine Brigade, und Mosgowoj war nur nominell Brigadekommandeur. Darum kam dieses Ereignis fĂŒr uns so ĂŒberraschend. Welchen Sinn sollte dieser Mord machen? Von den ursprĂŒnglich dreitausend hatte er noch etwa 350 Soldaten ĂŒbrig. Offensichtlich kam er zu einer Übereinkunft mit Plotnitzky (dem FĂŒhrer der LNR). Es schien, dass der Überrest von Prisrak in die territoriale Miliz der LNR eingegliedert werden sollte. Warum also Mord? Wozu? Ging es um die Parade, die Mosgowoj am 9.Mai in Altschewsk halten wollte? Aber er hielt sie nicht. Das Kombinat Altschewsk? Persönlich hatte ich dessen EigentĂŒmer in Verdacht, aber das bestĂ€tigte sich nicht.

Und doch gab es, wie sich erwies, einen Grund. Einen ziemlich starken.

Im MĂ€rz, als klar wurde, dass die Brigade in ihrer frĂŒheren Gestalt nicht gerettet werden kann, wurde entschieden, dass aus dem militĂ€rischen FĂŒhrer Mosgowoj der Politiker Mosgowoj werden sollte. Das war nicht schwierig. Mosgowoj hatte mit seiner Brigade der Stadt und ihren Bewohnern sehr geholfen. Er lieferte Medizin und Nahrungsmittel, die an die Brigade gespendet wurden, er kĂŒmmerte sich um die Rentner und die Kinder. Er hatte eine ganze Einheit, die dafĂŒr arbeitete, die Einheit 088. Im MĂ€rz 2015 hatte diese Einheit das Image von Mosgowoj bedeutend gestĂ€rkt.

Aber nachdem die Ressourcen der Verwaltung aus Lugansk verteilt wurden, hatte Mosgowoj nur noch einen Weg zur Macht ĂŒbrig: Wahlen. Die Wahlen wurden in Übereinstimmung mit den Minsker Vereinbarungen geplant. Und er traf die harte Entscheidung, eine BĂŒrgerbewegung „Wiedergeburt des Volkes“ zu registrieren. Um im Name des Volkes und in dessen Auftrag alles, was die LNR braucht, wieder zu beleben. Eine gute Idee. Wo musste diese Bewegung registriert werden? Eindeutig nicht in Russland. Eindeutig nicht in der LNR, da niemand auf der Welt eine solche Registrierung anerkennen wĂŒrde. Wenn man das Detail mit einbezieht, dass die Wahlen, nach den Minsker Vereinbarungen, nach ukrainischem recht abgehalten werden sollten, musste die Bewegung in der Ukraine registriert werden.

Man könnte fragen, waren sie verrĂŒckt? Die Registrierungsunterlagen des „Separatisten“ und „Terroristen“ Mosgowoj zu akzeptieren – wie kann das sein? Aber das ukrainische Recht hat ein Schlupfloch: eine BĂŒrgerorganisation, die kein Konto hat und keine GeldgeschĂ€fte tĂ€tigen darf, kann schlicht durch Benachrichtigung registriert werden. Das ist Regel Nr. 140. Ukrainische BĂŒrger schicken einen korrekten Satz Dokumente mit der Post. Innerhalb von 3 (drei) Tagen nach ihrem Erhalt muss das ukrainische Justizministerium entweder die Registrierung durchfĂŒhren oder sie verweigern.

Es gibt zusĂ€tzliche Nuancen. Der Antragsteller (oder einer der im Dokument erwĂ€hnten Antragsteller) muss die Dokumente im Justizministerium persönlich abholen, und dann einige weitere Handlungen zur Registrierung durchfĂŒhren. Aber von dem Augenblick an, in dem das Dokument mit dem Stempel „registriert“ versehen ist, existiert die BĂŒrgerbewegung offiziell. Die Registrierung gilt als abgeschlossen, wenn einer der Antragsteller die Quittung fĂŒr den Erhalt des Registrierungszertifikats unterzeichnet hat. Ich beschreibe es so ausfĂŒhrlich, damit ihr die Wirkung dieser Manipulationen versteht. Am Ende reichten drei ukrainische BĂŒrger beim ukrainischen Justizministerium Dokumente ĂŒber die GrĂŒndung einer BĂŒrgerorganisation namens „Wiedergeburt des Volkes“ ein.

Koslow, Sameluk und Mosgowoj

 

Andrej Koslow, als Jurist, bereitete die Dokumente in Übereinstimmung mit dem ukrainischen Recht vor. Inzwischen habe ich die Kopien. Da es in der LNR nun
 nicht wirklich Notare gab, wurden die Kopien der PĂ€sse nicht in Altschewsk, sondern in einer anderen Stadt notariell beglaubigt. Mosgowojs Ruf und die Zusammenarbeit der OSZE-Mission halfen dabei.

Am angegebenen Tag schickte Anna Sameluk das Paket nach Kiew. NatĂŒrlich aus dem russischen Donezk. Hier ist der offizielle Postbeleg.Am 5. Mai erreichte dann das Paket das ukrainische Justizministerium. Hier ist der Scan der Nachverfolgung durch die russische Post.

Über ihren Mann in Kiew erfuhren sie am 8. Mai, dass das Justizministerium dem Antrag von Mosgowoj, Koslow und Sameluk auf Registrierung der Bewegung stattgegeben hat. Was passierte am 8.Mai in Altschewsk? Falls es jemand nicht weiß, da war eine antifaschistische Konferenz. Es waren etwa hundert Leute aus ganz Europa dort: Spanier, Griechen, Franzosen, Serben, Slowaken, Bulgaren. Es gab auch Russen und Ukrainer. Schwer zu sagen, wer die Information, Mosgowoj habe eine BĂŒrgerbewegung registriert, verbreitet hat. Ich fand vier Teilnehmer, aber nur einer von ihnen, Zlatko Stoikovich, antwortete, wann und wie die Nachricht von der Registrierung bekannt wurde. Er erfuhr es von seinem Bekannten in der OSZE, aber am Abend wusste es jeder.

Die Konferenz wurde zum Geburtstag der neuen Organisation. Gleichzeitig erhielt die „Wiedergeburt des Volkes“ eine Art internationale Anerkennung, da Vertreter anderer BĂŒrgerorganisationen die Bereitschaft kundtaten, zusammenzuarbeiten und zu helfen. Ich habe keinen Beleg dafĂŒr, dass die Registrierung tatsĂ€chlich abgeschlossen wurde. Aus offensichtlichen GrĂŒnden. Aber in diesem Video spricht der ehemalige Stabschef von Prisrak, Schewtschenko, auf der Beerdigung offen darĂŒber (Minute sechs des Videos). Er und ein Mann namens „Dobrij“ („Freundlich“) wussten davon.

Ich wĂŒrde gerne anmerken, dass die Lugansker AutoritĂ€ten die Konferenz in Altschewsk nicht gerade mit Freude sahen. Aber sie beschlossen, keinen Streit mit internationalen Organisationen, auch humanitĂ€ren, anzufangen. Sie rĂ€chten sich an Mosgowoj in der Frage der Parade zum 9. Mai, wenn ihr euch erinnert. Sie haben diese Parade verboten.

Fassen wir zusammen.

  1. Der Brigadekommandeur, jetzt Politiker Mosgowoj registrierte die BĂŒrgerbewegung „Wiedergeburt des Volkes“
  2. Zu dieser Zeit war das die einzige BĂŒrgerbewegung, die von der Ukraine auf dem Gebiet der LNR nach der de facto Trennung von der Ukraine anerkannt wurde.
  3. Zweifellos wĂŒrde diese Organisation betrĂ€chtliche UnterstĂŒtzung aus der Bevölkerung erhalten. Die Basisarbeit war ziemlich gut.
  4. Nach den Minsker Vereinbarungen wĂ€ren Mosgowoj und die Mitglieder seiner Organisation, soweit es Wahlen betrifft, wenn sie sich als Kandidaten registrierten, die einzigen, die die Ukraine anerkennen wĂŒrde.

Es gab eine so gestaltete Organisation in der DNR. Die Partei „MMM“ von Pushilin. Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen Pushilin und Mosgowoj.

Ich persönlich zweifle nicht daran, welche Wirkung diese Information beim, sagen wir mal, Staatssicherheitsministerium der LNR ausgelöst haben dĂŒrfte, vor allem, wenn sie auf die richtige Weise prĂ€sentiert wurde.

„Mosgowoj ist ein VerrĂ€ter! Er hat eine Vereinbarung mit der Ukraine geschlossen, sie haben seine Partei fĂŒr die Wahlen registriert! Hier ist der Beweis!“

Könnt ihr euch die Hysterie in einem der Kabinette des Ministeriums vorstellen? Ich kann es auch. Ich kann mir ebenso gut Mosgowojs Wahlsieg nicht nur in Altschewsk, sondern auch in Lugansk vorstellen.

TatsĂ€chlich kann man die Situation auf zwei Arten deuten. Offensichtlich wurde sie irgendwo in der erforderlichen Weise gedeutet. Und wir kennen das Ergebnis. Der unliebsame Politiker Mosgowoj, mit seinen eigenwilligen Ideen ĂŒber die Republik, erwies sich als furchteinflĂ¶ĂŸender als der Brigadekommandeur mit dreitausend Soldaten, Panzern und ‘Grad’-Raketenwerfern. Man sollte dabei die verbotenen VideogesprĂ€che mit Vertretern der ukrainischen Armee nicht vergessen.

Er wurde entschlossen und professionell entfernt. Ohne Spielchen, wie jene im Mai 2014, und ohne improvisierte Sprengkörper, wie 2015. Es war alles gut organisiert.

Ok, und jetzt fragt ihr mich, was mit Koslow passiert ist? Dem dritten Organisator? Ich weiß es nicht.

Andrej „Sledak“ Koslow wurde am Tag nach dem Mord an Mosgowoj und Sameluk festgenommen. Anfangs konnte er telefonieren und Briefe schreiben. Er bat Freunde um Hilfe; er brauchte medizinische Behandlung; er wurde sogar ins Krankenhaus verlegt. Er hatte Probleme mit den Nieren. GerĂŒchte besagen, er wurde mehr oder weniger wĂ€hrend der Befragung ermordet. Im letzten halben Jahr war nichts mehr von ihm zu hören. Niemand weiß, wo er ist, und es ist unmöglich, etwas herauszufinden. Es gibt zunehmend weniger Leute in der LNR, die es wagen, danach zu fragen. Diejenigen, die etwas wissen, glauben, dass Andrej schon einige Zeit tot ist.

Zusammenfassend wurde Alexej Borisowitsch Mosgowoj nicht ermordet, weil er Meinungsverschiedenheiten mit den Kosaken hatte. Nicht wegen wirtschaftlicher Auseinandersetzungen mit dem Kombinat von Altschewsk. Nicht durch die Handlungen ukrainischer Saboteure. Nicht wegen internen Verrats durch jemanden, der seine Stellung wollte. Obwohl Leute in seiner NĂ€he eine Rolle bei diesen Ereignissen spielten. Aber darĂŒber werden wir ein anderes Mal reden. Wir glauben, dass der Grund war, dass sich einige Seiten Dokumente fĂŒr jemanden als furchteinflĂ¶ĂŸender als Panzer und Artillerie erwiesen. Sogar furchteinflĂ¶ĂŸender als der Zug auf Lugansk, der einmal bei Prisrak im GesprĂ€ch war. Ich glaube, dass die Frage „warum“ beantwortet ist. Es bleiben die Fragen „wer ist Schuld“ und „wem nutzte es“. Wir denken, mit ihnen muss man sich gesondert befassen, vor allem deshalb, weil eine Menge Informationen bei dieser Analyse berĂŒcksichtigt werden mĂŒssen.

Also werden wir darauf zurĂŒckkommen.

P.S. (von Boris Roschin/Colonel Cassad): Man sollte daran denken, dass es, nach einem Jahr offizieller Untersuchung, keinerlei Schlussfolgerungen die Organisatoren und AusfĂŒhrenden dieses Mordes gibt, was entweder den Mangel an ProfessionalitĂ€t dieser Untersuchung belegt, oder die Tatsache, dass sie fiktiv ist. Es gibt ein Ă€hnliches Schweigen zu anderen Morden an bekannten Personen: Ischtschenko (Ewgenij Ischtschenko, BĂŒrgermeister von Perwomaijsk und einer der Kosakenkommandeure der LNR; am 23. Januar 2015 wurde eine humanitĂ€re Kolonne mit ihm und zwei russischen BĂŒrgern aus dem Hinterhalt ĂŒberfallen, vermeintlich von ukrainischen Saboteuren) und Dremow (Pawel Dremow, Kommandeur des Platowschen Kosakenregiments in der LNR, ermordet am 12. Dezember 2015; sein Auto wurde am zweiten Tag seiner Hochzeitsfeier gesprengt). Der kĂŒrzlich erfolgte Mord an Plotnitzkys Assistenten blieb ebenfalls unerklĂ€rt. Wenn man dabei mit in Betracht zieht, dass es den Versuch gab, den gesetzlosen Mord an Alexander Bednow (einer der bekanntesten Kommandeure der LNR, mit fĂŒnf anderen in seinem Wagen erschossen, am 1.Januar 2015, von SicherheitskrĂ€ften der LNR) und russischen BĂŒrgern an der Straßenkreuzung nach Lutugino, wird es klar, dass unsere Versionen die Komplizenschaft der AutoritĂ€ten der LNR nahe legen, denen einige nicht sehr intelligente Propagandisten das Recht zuschreiben, Menschen zu ermorden.

PS2: Abgesichts der Tatsachen, die Skomorochow enthĂŒllt, letztes Jahr habe ich in Rostow eine Ă€hnlich, wenn auch leicht abweichende Version gehört, nach der Mosgowoj angeblich plante, die Frontlinie zu ĂŒberqueren, um eine Kommunikation im Format von Videoverbindungen mit der „ukrainischen Seite“ von Angesicht zu Angesicht zu organisieren, und das sei den AutoritĂ€ten berichtet worden. DafĂŒr habe ich jedoch keinen Beleg gesehen.

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Der Selbstmord der EU durch Wirklichkeitsverleugung

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vom Saker

The EU’s “suicide by reality denial”

Was geschehen musste, ist geschehen. Die EU, die Kette aus schwachen Gliedern, die sie ist, gab letztlich nach, und die HollĂ€nder waren die ersten, die gegen die Assoziierung mit der Ukraine stimmten. NatĂŒrlich können die EurobĂŒrokraten jetzt irgendeinen Grund finden, die Abstimmung fĂŒr ungĂŒltig zu erklĂ€ren, sie können erklĂ€ren, dass irgendein Gesetz verletzt wurde, sie könnten sogar einige kleinere Änderungen an der Assoziierungsvertrag aushandeln, oder sie könnten entscheiden, dass sie diese Abstimmung schlicht ignorieren. Aber nichts davon wird irgend etwas Ă€ndern: die Wahrheit ist nicht zu leugnen, dass die Ukrainer in der EU nicht willkommen sind, nicht als Assoziierte, und noch weniger als Mitglieder. Also keine EU, keine NATO, keine „europĂ€ische Zukunft“ fĂŒr die Ukraine. Der ganze Heißluftballon, der die naiven und hĂ€sslichen Hoffnungen der Euromaidaner genĂ€hrt hat, ist geborsten, und das euro-ukrainische Projekt ist abgestĂŒrzt und ausgebrannt wie die Hindenburg.

Dieses UnglĂŒck musste nicht geschehen, es war gĂ€nzlich menschengemacht. In einer vernĂŒnftigeren Welt hĂ€tten die EU, Russland und die Ukraine einen Handel aus drei Parteien verhandeln können, der der Ukraine die Rolle gegeben hĂ€tte, die ihr Geografie und Geschichte vorgezeichnet haben: eine BrĂŒcke zwischen Russland und der EU zu sein. Aber die EU hat diese Möglichkeit kategorisch abgelehnt, mehrere Male, und schlicht erklĂ€rt, „die Ukraine ist ein souverĂ€ner Staat, und Russland hat in ukrainischen Angelegenheiten nicht mitzureden“. Dieses Nullsummenspiel wurde Russland gegen seinen Willen aufgezwungen, aber jetzt ist es die EU, die alles verloren hat, selbst, wenn das auch fĂŒr Russland keineswegs ein Sieg ist. Es ist traurige RealitĂ€t, dass alle verloren haben. Jetzt muss die EU die völlige Niederlage ihrer Ukraine-Politik akzeptieren, Russland blickt jetzt alleine auf einen sterbenden Staat gleich hinter seiner Grenze, wĂ€hrend die Ukraine schlicht in StĂŒcke fĂ€llt und schmerzvoll dahinscheidet. Werden die EurobĂŒrokraten dieses Ergebnis akzeptieren?

Vermutlich nicht.

Sie werden tun, was sie immer getan haben. Sie werden lĂŒgen, verleugnen, herunterspielen und, das ist das Wichtigste, tun, als sei nichts geschehen. Sie werden sagen, 60% von 30% einer kleinen EU-Nation könne keine Entscheidungen fĂŒr den ganzen Kontinent treffen. Oder sie erklĂ€ren, dass sie der Ukraine an Stelle einer schlichten altmodischen „Assoziation“ etwas viel besseres bieten werden – eine „innig empfundene Freundschaft“ vielleicht. Oder „ewige Liebe“. Oder sogar eine „kontinentale Bruderschaft“. Aber das alles wird vergebens sein, denn die Leute in Europa sind die Ukronazis eindeutig leid, selbst ihre polnischen „Freunde“ ĂŒberlegen jetzt, eine eigene Mauer zu bauen, um ihre „ukrainischen Freunde“ aus Polen fernzuhalten; spĂŒrt die Liebe!

Konsequenz eins: finanzielle Kosten

Aber es ist viel zu spĂ€t fĂŒr die EuropĂ€er. Die wirklich schlechte Nachricht fĂŒr sie ist, dass sie den grĂ¶ĂŸten Teil der Kosten werden tragen mĂŒssen, die Ukraine mehr oder weniger wieder aufzubauen. Russland kann es einfach nicht. Seine Wirtschaft ist viel zu klein und es kĂ€mpft bereits mit dem Versuch, Recht und Ordnung auf der Krim wieder herzustellen (was sich als ziemlich schwierig erweist, da der örtliche Mob bereits versucht, sie wieder zu der Weise zurĂŒckzudrĂ€ngen, wie sie unter ukrainischer Kontrolle funktionierte). Mehr noch, Russland wird fĂŒr den Donbass zahlen mĂŒssen, das ist recht offensichtlich. Also kann man Russland von der Liste streichen.

Die USA könnten zahlen, werden aber nicht. Selbst wenn Hillary gewĂ€hlt wird (bzw. vom ‘tiefen Staat’ der USA ernannt), wĂŒrde ein derart großes wirtschaftliches Rettungsprogramm nie durch den Kongress kommen, nicht, wenn die USA selbst ein Ă€hnliches Programm brĂ€uchten, um ihre eigene verfallende und vernachlĂ€ssigte Infrastruktur und Wirtschaft wieder aufzubauen.

Aber, was das Wichtigste ist, Russland hat die Möglichkeit, seine Grenzen zu schließen. Die neugeschaffene russische Nationalgarde wird jetzt die Verantwortlichkeiten von mehreren Ministerien und Behörden ĂŒbernehmen, einschließlich des Bundesmigrationsdienstes. Russland hat bereits einen sehr fĂ€higen Grenzschutz, der dem Bundessicherheitsdienst FSB (ehemals KGB) unterstellt ist. Es wird geschĂ€tzt, dass der Grenzschutz momentan 10 regionale BĂŒros, ĂŒber 80 Grenzeinheiten, ĂŒber 950 Außenposten und 400 ÜbergĂ€nge umfasst. Jeden Tag fĂŒhrt er 11 000 Patrouillen durch. Insgesamt wird die Aufgabe der Erhaltung und des Schutzes der Grenzen der Russischen Föderation von etwa 200 000 GrenzschĂŒtzern erfĂŒllt. Dieser Dienst hat seine eigene Luftwaffe, KĂŒstenwache, Drohnen, AufklĂ€rungsabteilung, gepanzerte Einheiten und sogar seine eigenen Spetsnaz. In Wirklichkeit ist der russische Grenzschutzdienst mĂ€chtiger als die meisten EU-Armeen. Irrt euch nicht, Russland kann, und wird nötigenfalls seine Grenzen schließen und schĂŒtzen.

Was die USA angeht, haben sie den besten Grenzschutz des Planeten: den Atlantik und den Pazifik.

Wenn sich die Ukraine also in ein schwarzes Loch verwandelt (wobei sie gerade ist), sind die einzigen, die nicht im Stande sind, sich zu schĂŒtzen, aber die die Mittel haben, fĂŒr das AufrĂ€umen dieses Durcheinanders zu bezahlen, die EuropĂ€er. Ja, sicher, die USA und Russland werden ebenfalls mithelfen mĂŒssen, aus unterschiedlichen GrĂŒnden. Aber der Löwenanteil der Kosten wird direkt an den europĂ€ischen Steuerzahler gehen. Das ist der Preis, den die EU frĂŒher oder spĂ€ter fĂŒr ihre Arroganz und Inkompetenz wird zahlen mĂŒssen.

Zweite Konsequenz: Sicherheit

Noch ein weiterer Preis wird bezahlt werden mĂŒssen, diesmal in Sicherheit. Das ganze SĂ€belrasseln der NATO entlang der russischen Grenze hat letztlich den „russischen BĂ€ren“ aufgeweckt. Russland hat jetzt nicht nur seine beeindruckenden Iskander-Raketen nach Kaliningrad verlagert, es hat auch die GrĂ¶ĂŸe seiner bereits beeindruckenden Luftlandetruppen verdoppelt. Hier, was ich im Dezember 2014 dazu schrieb:

„die Russen fĂŒrchten keine militĂ€rische Bedrohung durch die NATO. Ihre Reaktion auf die letzten ZĂŒge der NATO (neue StĂŒtzpunkte und Personal in Zentraleuropa, höhere Ausgaben etc.) besteht darin, sie zur Provokation zu erklĂ€ren, aber alle russischen Offiziellen bestehen darauf, dass Russland mit der militĂ€rischen Bedrohung umgehen kann. Wie es ein russischer Abgeordneter sagte, „fĂŒnf schnelle Reaktionstruppen sind ein Problem, das wir mit einer Rakete lösen können.“ Eine vereinfachende, aber grundlegend richtige Formulierung. Wie ich zuvor schon erwĂ€hnt habe, die Entscheidung, die russischen Luftlandetruppen zu verdoppeln und das 45. besonders bestimmte Luftlanderegiment auf volle BrigadenIhre Reaktion auf die letzten ZĂŒge der NATO (neue StĂŒtzpunkte und Personal in Zentraleuropa, höhere Ausgaben etc.) besteht darin, sie zur Provokation zu erklĂ€ren, aber alle russischen Offiziellen bestehen darauf, dass Russland mit der militĂ€rischen Bedrohung umgehen kann. Wie es ein russischer Abgeordneter sagte, „fĂŒnf schnelle Reaktionstruppen sind ein Problem, das wir mit einer Rakete lösen können.“ Eine vereinfachende, aber grundlegend richtige Formulierung. Wie ich zuvor schon erwĂ€hnt habe, die EntscheidunggrĂ¶ĂŸe zu erhöhen, war bereits gefallen. Man könnte sagen, dass die Russen die Schaffung einer NATO-Truppe von 10 000 Mann vorwegnahmen, indem sie ihre eigenen mobilen (Luftlande-) Truppen von 36 000 auf 72 000 erhöhten. Und, glaubt mir, die kampferfahrenen russischen Luftlandetruppen sind eine weit fĂ€higere Kampftruppe als die hedonistischen und demotivierten multinationale (28 LĂ€nder) Euroforce von 5 000, die die NATO nur unter MĂŒhen zusammenholen kann. Die US-Kommandeure verstehen das ganz und gar.“

Aber das ist nicht alles, was Russland getan hat. Putin hat die Wiedererschaffung der ultimativen russischen RĂŒstungsbedrohung des Kalten Krieges angeordnet: der ersten Garde-Panzerarmee. Diese Panzerarmee wird zwei Panzerdivisionen umfassen (die besten des russischen MilitĂ€rs – die 2. Garde Tamanskaja MotorschĂŒtzendivision und die 4. Garde Kantemirwskaja Panzerdivision) und eine Anzahl von ĂŒber 500 T-14 Armata-Panzern. Diese Panzerarmee wird von der 20. Garde Mischwaffenarmee unterstĂŒtzt.

TĂ€uscht euch nicht, das ist eine große, schwere und mĂ€chtige Truppe, deren Zweck dem der berĂŒhmten sowjetischen „Schock“-Armeen im zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg Ă€hneln wird: „schwierige Verteidigungspositionen ĂŒberwinden, um einen taktischen Durchbruch von ausreichender Breite und Tiefe zu schaffen, um den Einsatz mobiler Einheiten zur tieferen Erschließung zu ermöglichen.“

Bravo, Europa – du hast dir gerade ein gigantisches Fadenkreuz auf die Stirn gemalt!

In den westlichen Medien wird darĂŒber natĂŒrlich wenig berichtet, und so ist sich die Öffentlichkeit kaum der Tatsache bewusst, dass die Russen, wĂ€hrend die NATO und westliche Politiker vorgaben, hart zu spielen, und versuchten, Russland zu erschrecken, beschlossen, diese Drohungen ernst zu nehmen und wirkliche, praktische Handlungen unternahmen.

FĂŒr jemanden wie mich, der den kalten Krieg erlebte und der die sowjetischen Truppen in Ostdeutschland ĂŒberwachte, ist es bedrĂŒckend und ĂŒbelkeitserregend, zu sehen, dass der Westen Russland wortwörtlich in einen neuen Kalten Krieg gezwungen hat, den es weder wollte noch brauchte. NatĂŒrlich bin ich absolut zuversichtlich, dass es im Osten keine „russische Bedrohung“ gibt, und dass die einzige Methode, diese ganze militĂ€rische Macht zum Zuschlagen zu bringen, darin besteht, sie zuerst anzugreifen, aber es ist traurige Wirklichkeit, dass die LĂ€nder der EU/NATO jetzt direkt als Ziel der russischen Truppen gelten.

Um das alles noch schlimmer zu machen, ist es jetzt recht wahrscheinlich, dass Hillary und ihre Bande von Neocons das Weiße Haus ĂŒbernehmen. Gott allein weiß, wozu diese Leute fĂ€hig sind. Hillary, deren einziger „Erfolg“ im Leben gewesen zu sein scheint, Bill dazu zu nötigen, die Serben zu bombardieren, und Libyen in ein hĂ€ssliches Durcheinander zu verwandeln, wird etwas beweisen mĂŒssen: dass sie mehr Mann ist als Putin. Sie wird versuchen, ihm Angst zu machen und ihn zu irgendeiner Art Unterordnung zu nötigen, und egal, dass das russische Volk jetzt den Westen als eine Gesellschaft von degenerierten, wenn auch arroganten, Conchita Wurst gleichenden Angebern sieht, die das, was es fĂŒr einen wirklichen Kampf braucht, schlicht nicht in sich haben, und die sich nur ĂŒber die Schwachen und Wehrlosen hermachen können. Die Neocons lösen bei den Russen keine Furcht aus, sondern Widerwillen. Im besten Fall können sie ein GefĂŒhl der Sorge hervorrufen, durch ihre anscheinend grenzenlose Arroganz und ihren selbstzerstörerischen Mangel an Voraussicht. Wie ich schon viele, viele Male geschrieben habe, die Russen fĂŒrchten den Krieg, daran ist kein Zweifel möglich, aber, anders als die AngloZionisten, sind sie dennoch darauf vorbereitet.

Was die EuropĂ€er betrifft, die realisieren langsam, dass sie in einem Ministers of Defense - smalllangen und sehr schmerzhaften Krieg gegen den Wahabi-Terrorismus stecken. Die Angriffe in Paris und BrĂŒssel sind nur die ersten SchĂŒsse eines Krieges, der viele Jahre dauern wird. Russland brauchte lĂ€nger als ein Jahrzehnt, um die Wahabi-Terroristen im Kaukasus endlich zu zerschlagen, und das mit einem Mann wie Wladimir Putin am Steuer. Ein Blick auf Francois Hollande oder Angela Merkel, und ihr fĂŒhlt in euren Eingeweiden, dass diese zwei traurigen Clowns nie die Oberhand gewinnen werden. Man vergleiche nur die Reaktion Wladimir Putins auf den Absturz des russischen Flugzeugs ĂŒber dem Sinai mit dem Schluchzen von Frederica Mogherini nach den Bomben in BrĂŒssel.

Nun stellt euch vor, ihr seid AnfĂŒhrer von Wahabi-Terroristen, und, möchte ich hinzufĂŒgen, euer ganzes Leben Hardcore-Sexisten, und dann schaut ihr auf diese zwei Fotos rechts. WĂŒrde das eure Zielauswahl beeinflussen?

NatĂŒrlich wĂŒrde es das.

Das Gleiche gilt fĂŒr den Vergleich des US/NATO-Einsatzes in Syrien mit dem Ergebnis von nicht einmal einem halben Jahr Einsatz der russischen Luft-Raum-KrĂ€fte. Staaten haben, wie Menschen, ihre eigene „Körpersprache“, und wĂ€hrend die Körpersprache, die Russland zeigt, die einer zuversichtlichen und beeindruckenden Macht ist, ist die Körpersprache der EU und, etwas weniger ausgeprĂ€gt, die der USA eine der SchwĂ€che, der Hybris und der Inkompetenz, oft an der Grenze zum selbstmörderischen (wie Merkels Einwanderungspolitik).

Schlussfolgerung:

Das Fazit dieses Durcheinanders lautet: was die USA und die EU in der Ukraine (wie auch andernorts) getan haben, war auf fantastische Weise dumm. Aber die USA können sich solche Fehler leisten, wĂ€hrend die EU es eindeutig nicht kann. Was Russland betrifft, ja, es wurde durch diese Politik eindeutig getroffen, aber der Kreml hat diesen Schmerz in Bahnen gelenkt, die Russland auf vielen Ebenen stĂ€rker machen, politisch, militĂ€risch und sogar wirtschaftlich, obwohl hier der Fortschritt minimal war und die fĂŒnfte Kolonne weitgehend immer noch das Sagen hat, auch wenn ich weiter auf die nötige SĂ€uberung hoffe.

Was die EU getan hat, ist im Grunde eine Form von „Selbstmord durch Wirklichkeitsverleugnung“. Was als nĂ€chstes kommt, wird ein Regimewechsel sein mĂŒssen, nicht in einem Land, sondern auf dem ganzen Kontinent. Ich glaube, ein solcher Regimewechsel ist unvermeidlich, aber die große Frage lautet, wie lang diese langsame und schmerzhafte Agonie der EU andauern wird. Obwohl das viele Jahre brauchen könnte, glaube ich. Die FĂŒhrer der EU werden sich nicht elegant entschuldigen und zurĂŒcktreten, es gibt eine ganze Klasse von Parasiten, die jetzt von den EU-Strukturen leben, die sich verzweifelt gegen jede bedeutungsvolle Reform zur Wehr setzen werden, von Regimewechsel ganz zu schweigen, und die immer die engen Interessen ihrer Kompradorenklasse ĂŒber die ihrer Völker oder selbst den gesunden Menschenverstand stellen werden.

Was die Völker der EU betrifft, so werden sie herausfinden, dass sie nicht die Mittel haben, einen politischen Wechsel durch die Wahlurne herbeizufĂŒhren, dass sie in einer vorgetĂ€uschten Demokratie gelebt haben, und dass Alles, was ihnen erzĂ€hlt und versprochen wurde, nur eine leere, hĂ€ssliche LĂŒge ist. Nicht die Ukraine ist Europa geworden, Europa wurde zur Ukraine.

Willkommen in der wirklichen Welt, EU!

Der Saker

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Im BĂŒndnis mit Al Quaida

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Diesen Artikel haben wir mit freundlicher Genehmigung von German Foreign Policy ĂŒbernommen. Allen, die diese Seite noch nicht kennen, möchte ich sie erneut wĂ€rmstens ans Herz legen. Nirgendwo sonst werden die AbgrĂŒnde deutscher Aussenpolitik so akribisch erforscht und die Planer und Profiteure so klar benannt.  Jörg Kronauer, dessen Vortrag zu Syrien wir vor einiger Zeit als Video veröffentlicht hatten, ist einer der Redakteure dieser Seite.

BERLIN/DAMASKUS
(Eigener Bericht) – Der Waffenstillstand in Syrien droht von einer Miliz zu Fall gebracht zu werden, die von VerbĂŒndeten Deutschlands aufgerĂŒstet und auf Druck auch der Bundesregierung in die Genfer Syrien-Verhandlungen eingebunden wurde. Berichten zufolge nimmt die Miliz Ahrar al Sham zur Zeit an einer MilitĂ€roffensive des Al Qaida-Ablegers Al Nusra teil. WĂ€hrend fĂŒr Al Nusra der Waffenstillstand nicht gilt, ist Ahrar al Sham in ihn einbezogen. Die Miliz ist von Berlins NATO-Partner TĂŒrkei sowie von Qatar, einem zentralen VerbĂŒndeten der Bundesrepublik in Mittelost, finanziert und aufgerĂŒstet worden. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat sich energisch dafĂŒr eingesetzt, sie in die Oppositionsdelegation bei den Genfer Verhandlungen aufzunehmen, obwohl sie seit Jahren eng mit Al Nusra (Al Qaida) kooperiert. Eine neue Analyse der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) bestĂ€tigt, dass die militĂ€rische Kooperation auf großer ideologischer NĂ€he beruht. Auch sei Ahrar al Sham in Massaker an der alawitischen Minderheit involviert gewesen. Die Miliz werde oft als “syrische Taliban” bezeichnet, berichtet ein fĂŒhrender deutscher Salafismus-/Jihadismus-Experte. Wie er erklĂ€rt, stĂ€rkt, “wer sie aufwertet, indirekt 
 al Qaida”. Dies trifft enge VerbĂŒndete Berlins sowie das AuswĂ€rtige Amt.

Waffenstillstand gebrochen
Der UN-Sonderbeauftragte fĂŒr Syrien, Staffan de Mistura, stuft die fĂŒr diese Woche angekĂŒndigte Runde der Genfer Syrien-Verhandlungen als “entscheidend” ein. Man werde die GesprĂ€che “vor allem auf den politischen Übergang, auf die RegierungsfĂŒhrung und auf die Verfassungsprinzipien” fokussieren, erklĂ€rte de Mistura am gestrigen Montag nach einem Zusammentreffen mit Syriens Außenminister Walid al Muallim in Damaskus. Er hoffe auf eine “konstruktive” und “konkrete” Debatte. Berichten zufolge hat Muallim erklĂ€rt, die syrische Regierung sei zu GesprĂ€chen ĂŒber eine politische Lösung ohne Vorbedingungen bereit.[1] Allerdings ist unklar, ob der Waffenstillstand, der bislang mit Abstrichen eingehalten wird, weiter Bestand hat. Laut Beobachtern hat der Al Qaida-Ableger Al Nusra, fĂŒr den der Waffenstillstand nicht gilt, eine neue Offensive gestartet. Diese fĂŒhrt er gemeinsam mit verbĂŒndeten Rebellenmilizen, darunter die Miliz Ahrar al Sham.[2] Ahrar al Sham allerdings ist offiziell in den Waffenstillstand eingebunden und hat sogar an den Genfer Verhandlungen teilgenommen. Bei der gemeinsamen Offensive von Al Nusra, Ahrar al Sham und weiteren Milizen kamen in den vergangenen zwei Tagen in Aleppo 35 KĂ€mpfer ums Leben. Nimmt Ahrar al Sham weiterhin an der Offensive teil, stĂŒnde der Waffenstillstand womöglich vor dem Aus.
Syriens Taliban
Die militĂ€rische, aber auch die politische Praxis von Ahrar al Sham ist Gegenstand einer aktuellen Untersuchung, die die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) soeben veröffentlicht hat. Autor ist Guido Steinberg, ein Mitarbeiter der SWP, der als einer der fĂŒhrenden deutschen Kenner des Salafismus und des Jihadismus im Nahen und Mittleren Osten gilt. Steinberg ordnet Ahrar al Sham klar dem salafistischen Spektrum zu.[3] Wie er erlĂ€utert, will die Miliz, die mit bis zu 20.000 KĂ€mpfern als die stĂ€rkste unter den AufstĂ€ndischen in Syrien gilt, dort “einen islamischen Staat” errichten, “der auf dem islamischen Recht, der Scharia, beruhen soll”. Sie stehe ideologisch dem syrischen Ableger von Al Qaida, der Al Nusra-Front, “sehr nahe”. Mit Al Nusra kooperiert sie kontinuierlich bereits seit 2012 und ist mit ihr seit 2015 im Rahmen des BĂŒndnisses Jaish al Fatah (“Armee der Eroberung”) fest zusammengeschlossen. “Die ideologische NĂ€he und fast schon symbiotische Zusammenarbeit mit der Nusra-Front haben bewirkt, dass die Ahrar ash-Sham hĂ€ufig als ‘syrische Taliban’ bezeichnet werden”, berichtet Steinberg: “Ebenso wie die afghanischen Taliban sind die Ahrar zwar eine insgesamt nationalistische Gruppierung, haben aber auch einen starken FlĂŒgel, der eher al-Qaidas internationalistischem Jihadismus zuneigt.
Massaker an Alawiten

Zwar habe die FĂŒhrung von Ahrar al Sham “nie im Detail ausgefĂŒhrt”, wie der von ihr erstrebte Staat politisch “gestaltet werden” solle, erklĂ€rt Steinberg; doch wĂ€re er wohl “stark autoritĂ€r geprĂ€gt”: Die “Ordnungsvorstellungen” der Miliz seien mit denjenigen des Al Qaida-Ablegers Al Nusra “weitgehend identisch”. Keinerlei Zukunft dĂŒrften in einem von ihr geprĂ€gten Staat nichtsunnitische Minderheiten haben. In Verlautbarungen der Miliz scheine “immer wieder ihr Ressentiment gegenĂŒber Christen, Alawiten und Schiiten durch”, berichtet der SWP-Experte; das zeige sich “schon am Vokabular”: Die FĂŒhrung von Ahrar al Sham benutze etwa fĂŒr Christen “nicht das ĂŒbliche arabische Wort 
, sondern das unter Salafisten verbreitete abwertende ‘Nazarener'”. Angehörige der alawitischen und der schiitischen Minderheit wĂŒrden “geringschĂ€tzig als ‘Nusairier’ und ‘Rafida’ tituliert”. Dass dies keineswegs nebensĂ€chlich sei, habe sich im August 2013 gezeigt, als ein BĂŒndnis aufstĂ€ndischer Milizen mit maßgeblicher Beteiligung von Ahrar al Sham eine militĂ€rische Offensive im KĂŒstengebirge gestartet habe, berichtet Steinberg. “In den alawitischen Dörfern, die sie in den ersten Tagen eroberten, verĂŒbten die AufstĂ€ndischen zahlreiche Morde und sonstige GrĂ€ueltaten an unbeteiligten Zivilisten und nahmen mehr als 200 Geiseln, um sie in Verhandlungen mit der Regierung als Faustpfand zu nutzen”. Bis heute sei “das Schicksal der meisten Geiseln” – Angehörige der alawitischen Minderheit – “ungeklĂ€rt”.

Terrortaktiken

Steinberg beschreibt nicht zuletzt die militĂ€rischen Kooperationspraktiken von Al Nusra (Al Qaida) und Ahrar al Sham. Demnach leiten die Jihadisten von Al Nusra gewöhnlich “die Offensiven mit Selbstmordattentaten auf die ZugĂ€nge zu StĂŒtzpunkten und die Checkpoints des Regimes ein”. Anschließend “folgen die zahlenmĂ€ĂŸig weitaus stĂ€rkeren Einheiten der Ahrar und erobern StĂŒtzpunkte und StĂ€dte gemeinsam mit ihren VerbĂŒndeten”. Die Verbindung von jihadistischem Terror und militĂ€rischem Vorgehen habe die Siege der AufstĂ€ndischen gegen die Regierungstruppen auf breiter Front erst möglich gemacht. Dabei konnte sich zumindest Ahrar al Sham laut Steinberg bereits 2012 auf Hilfe aus dem Ausland verlassen: Die TĂŒrkei und Qatar – beide zentrale VerbĂŒndete auch der Bundesrepublik – hĂ€tten sie schon damals bevorzugt mit Geld und Waffen versorgt. Im FrĂŒhjahr 2015 sei die UnterstĂŒtzung sogar noch ausgeweitet worden; das BĂŒndnis aus Ahrar al Sham und Al Nusra sei, ausgestattet mit panzerbrechenden Waffen, “schnell zur ernsten Bedrohung” fĂŒr die syrischen Regierungstruppen geworden, insbesondere im KĂŒstengebirge, wo ein MilizenbĂŒndnis um Ahrar al Sham bereits 2013 Massaker an der alawitischen Minderheit begangen hatte. In dieser Situation habe Moskau begonnen, “von April 2015 an Truppen in Syrien zu stationieren und ab Ende September 2015 Luftangriffe gegen die Rebellen zu fliegen”, konstatiert Steinberg.[4] TatsĂ€chlich ist es durch Russlands Eingreifen gelungen, das BĂŒndnis aus Al Qaida/Al Nusra und Ahrar al Sham wieder zurĂŒckzudrĂ€ngen.

Eingebunden

Die Bundesregierung hat – gemeinsam mit den anderen MĂ€chten des Westens – nicht nur geduldet, dass zwei ihrer engsten VerbĂŒndeten in der Region mit Ahrar al Sham einen Kooperationspartner von Al Qaida massiv fördern. Das AuswĂ€rtige Amt hat mit dafĂŒr gesorgt, dass Ahrar al Sham in die Oppositionsdelegation bei den Genfer Syrien-Verhandlungen aufgenommen wurde – entgegen der Forderung unter anderem aus Russland, Kooperationspartner von Al Qaida nicht an der Neugestaltung Syriens zu beteiligen (german-foreign-policy.com berichtete [5]). Steinberg versucht sich in seiner Analyse an einer Ehrenrettung der Berliner Politik: Es mĂŒsse Ziel sein, Ahrar al Sham per Einbindung von Al Nusra abzuspalten. Dennoch rĂ€umt er ein, dass, wer Ahrar al Sham “aufwertet, indirekt die Nusra-Front und damit al-Qaida stĂ€rkt”, denn “das BĂŒndnis zwischen Ahrar und Nusra ist intakt”. Die aktuelle militĂ€rische Offensive von Al Nusra und Ahrar al Sham, der der Waffenstillstand zum Opfer zu fallen droht, bestĂ€tigt das.

Mehr zur deutschen Syrien-Politik: Ein Marshallplan fĂŒr Mittelost, Kampf um Syrien, Kampf um Syrien (II) und Kampf um Syrien (III) und Kampf um Syrien (IV).

[1] UN envoy says next phase in Syria talks “crucial”. www.dailymail.co.uk 11.04.2016.
[2] Chase Winter: Syrian forces, Russia planning Aleppo offensive as fragile cease-fire unravels. www.dw.com 10.04.2016.
[3] Zitate hier und im Folgenden: Guido Steinberg: Ahrar ash-Sham: Die “syrischen Taliban”. SWP-Aktuell 28, April 2016.
[4] Dies bestÀtigt Recherchen von german-foreign-policy.com von Anfang Oktober 2015. S. dazu Konstanten westlicher Weltpolitik.
[5] S. dazu Steinmeier und das Oberlandesgericht.

 

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Ukraine-Zerfall: EuropÀer sind die US-Interventionen leid

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Ron Paul

As Ukraine Collapses, Europeans Tire Of US Interventions, ĂŒbersetzt von James B.

Am Sonntag trat der ukrainische Premierminister Arseni Jatzenjuk zurĂŒck, nur vier Tage nach dem hollĂ€ndischen Volksentscheid gegen das Assoziierungsabkommen mit der EU. Zusammengenommen ist dies ein deutliches Signal, daß der US-gestĂŒtzte Coup in der Ukraine diesem Land weder Freiheit noch Demokratie brachte. Zudem wird eine tiefere Unzufriedenheit unter den EuropĂ€ern mit Washingtons Interventionssucht suggeriert.

US- und EU-Regierungen zufolge – und blind von den Mainstream-Medien wiederholt – standen die Ukrainer 2014 von sich aus auf, um die Ketten einer korrupten Regierung abzuschĂŒtteln, die in der GesĂ€ĂŸtasche Moskaus saß, und um sich endlich ins pro-westliche Lager zu begeben. Diesen Leuten zufolge hatte kein amtliches US-Personal auch nur irgend etwas mit dem Putsch zu tun, als es in Kiew PlĂ€tzchen verteilte und sogar auf die BĂŒhne trat und das Volk dazu aufhetzte, seine Regierung zu stĂŒrzen.

Als der stellvertretenden Außenamtschefin Victoria Nulands Prahlerei ĂŒber die fĂŒnf Mrd. US-Dollar gefilmt wurde, die die US-Regierung »zur Förderung der Demokratie in der Ukraine« aufgewendet hatte, hatte es nichts mit dem Sturz der Janukowitsch-Regierung zu tun. Als Nulands Aussage gegenĂŒber dem US-Botschafter in Kiew mitgeschnitten wurde, wonach Jatzenjuk die amerikanische Entscheidung fĂŒr das Amt des Premiers sei, war es keine US-Einmischung in innere Angelegenheiten der Ukraine. Die Neocons halten es noch immer fĂŒr eine »Verschwörungstheorie«, die USA hĂ€tten irgendwas mit dem Putsch zu tun.

Ich hege keine Zweifel an der Korruption der vorigen Regierung. Korruption zĂ€hlt zum Handwerkszeug jeder Regierung. Allerdings ist Transparency International zufolge das heutige Maß an Korruption in der ukrainischen Regierung etwa genauso hoch als noch vor dem US-gestĂŒtzten Putsch. Folglich scheiterte die Intervention mit auch nur irgendeiner Verbesserung, und nun zerbricht die US-installierte Regierung. Ist die Chaos-Ukraine eine Washingtoner Erfolgsgeschichte?

Was zurĂŒck zum hollĂ€ndischen Volksentscheid fĂŒhrt. Die ĂŒberwĂ€ltigende Ablehnung des EU-Plans einer ukrainischen Mitgliedschaft demonstriert das hohe Maß an Unzufriedenheit und Argwohn in Europa gegenĂŒber der EU-FĂŒhrung, die der interventionistischen Washingtoner Außenpolitik folgt, und das auf Kosten der europĂ€ischen Sicherheit und des europĂ€ischen Wohlstands. Andere EU-Mitgliedsstaaten trauten sich nicht einmal, ein Referendum zum Thema abzuhalten — ihre Parlamente haben das Abkommen einfach abgenickt.

BrĂŒssel stĂŒtzt das US-Bombardement im Nahen Osten und Hunderttausende FlĂŒchtlinge, die die Bomben produzierten, ĂŒberströmen Europa. Dem Volk wird gesagt, es mĂŒsse noch stĂ€rker besteuert werden, um fĂŒr die Opfer der US-Außenpolitik zu zahlen.
BrĂŒssel stĂŒtzt die US-Regime-Change-PlĂ€ne in der Ukraine und den EU-BĂŒrgern wird gesagt, sie mĂŒĂŸten die Last tragen, einem wirtschaftlich hoffnungslosen Fall auf europĂ€ische Standards zu helfen. Wieviel wĂŒrde es den EU-BĂŒrgern kosten, die Ukraine als Mitglied reinzubringen? Keiner wagt, es auszusprechen. Zurecht sind die EuropĂ€er zornig auf ihre FĂŒhrer, die Washington blind folgen und sie dann im Regen stehenlassen.

Die Wut steigt und niemand weiß, wo sie enden wird.
Im Juni stimmt das Vereinigte Königreich ĂŒber seinen Austritt aus der EU ab. Der Meinungskampf fĂŒr einen Brexit hat eine breite Basis, in der Konservative, Populisten und Fortschrittliche zusammenfinden. UnabhĂ€ngig von Ergebnis wird die Abstimmung sehr wichtig sein. Die EuropĂ€er sind es leid, von ihren ungewĂ€hlten FĂŒhrern in BrĂŒssel herumgeschubst und um ihre persönliche und finanzielle Sicherheit gebracht zu werden, als Konsequenz der Gefolgschaft von Washingtons dĂ€mlichem Interventionismus. Niemand kann auch nur eine einzige aktuelle Intervention einen »Erfolg« nennen — und die EuropĂ€er wissen das.

Egal wie, das US-Empire nĂ€hert sich seinem Ende. Entweder schwinden Geld oder Alliierte — es kann nicht am Leben erhalten werden. Je eher das amerikanische Volk ein Ende dieser schwachsinnigen Politik einfordert, desto besser.

(HTML repariert, damit nicht der ganze Artikel in fett erscheint – Russophilus)

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Bitte noch zwei, drei Jahre an Sanktionen!

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Yurasumy

Übersetzt von James B. nach der englischen Fassung von Julia Rakhmetova und Rhod Mackenzie vom 13.04.2016 auf Russia Insider

Nur billiges Öl ist nutzbringender fĂŒr die russische Moral und die Wiedergeburt seiner Wirtschaft

karikatur
Erst kein Hemd! Jetzt, keine Hosen!

Karikatur: HĂ€ttet Ihr wohl gerne gehabt!

Als die USA, Kanada, die EU und sogar Japan Sanktionen gegen Rußland verhĂ€ngten, als sie es aus den G8 ausschlossen und »Schwarze Listen« gegen personae non gratae veröffentlichten, als sie die Weltpreise von Öl und Gas heruntermanipulierten, erwarteten »unsere westlichen Partner« ganz andere Ergebnisse.

Die Bevölkerung der Russischen Föderation sollte in ein bis zwei Jahren aufstehen, gegen fallende Lebensstandards und das Leiden, das hereinbrechen sollte, als Folge der Ukraine. Massenproteste im ganzen Land wĂŒrden auch den wirtschaftlichen Druck auf den Kreml erhöhen, denn auch die Einkommen der oberen 1 % sollten unter den Sanktionen leiden.

Dies war zu erwarten, in einem Land mit Freier Marktwirtschaft, wo Seine MajestĂ€t, der US-Dollar regiert. Nach vielen Jahren eines Dollar-Rubel-Kurses von 30 auf ĂŒber 70 in nur zwei Jahren, sollte er verdammt sein, die 100er-Marke zu durchbrechen. Viele Russen mit Krediten in AuslandswĂ€hrung mußten denn auch wirklich leiden, viele konnten sich keinen Auslandsurlaub mehr leisten und andere spĂŒrten auch einen deutlichen RĂŒckgang ihres Lebensstandards. Und?

Und gar nichts. Selbst der 15jĂ€hrige »Aufbau des Kapitalismus« konnte nicht das Wesen dieses barbarischen Volkes Ă€ndern. Es hat gelernt, nach kapitalistischen Regeln zu leben — und es hat sich daran erinnert, russisch zu sein. Ein Volk der Russen, ungeachtet ihrer genotypischen Ethnie, Muttersprache oder ihres Wohnorts. (Und sie erinnerten sich daran, daß es Russen in der Ukraine gibt.)

Am Rande noch eine Information: Der letzten VolkszĂ€hlung zufolge nennen sich 81 % der in Rußland lebenden »Russen«. Einer Gallup-Erhebung zufolge sehen sich 83 % der Ukrainer als Russen. Und Rußland erinnerte sich daran, nach dem Putsch in Kiew.

Über die letzten beiden Jahre stieg die Zahl der BefĂŒrworter einer allgemeinen Wehrpflicht um das Anderthalbfache. Zwei Drittel der Bevölkerung sind sich sicher, daß gegen Rußland ein verdeckter Krieg gefĂŒhrt wird und das Mutterland in Gefahr ist. Eine absolute Mehrheit stĂŒtzte die Regierung nicht nur in ihrem Kurs bezĂŒglich des Ukraine-Konflikts — Tausende von Russen waren Mitglieder der Miliz im Donbaß, nahmen an Kundgebungen und friedlichen Protesten teil, in Charkow, Odessa und anderen StĂ€dten, und unterstĂŒtzten nicht-militĂ€rische Hilfe in den Volksrepubliken von Donezk und Lugansk. Millionen Russen spendeten den Ukrainern Geld, Arzneimittel und Kleidung.

FĂŒr den Westen am Bittersten war, daß die Mehrheit der Bevölkerung nicht mit Worten, sondern mit Taten bewies: Wir werden uns mit den ökonomischen Schwierigkeiten arrangieren, statt unseren PrĂ€sidenten auf Knien zu sehen, um die USA um Vergebung zu bitten. Als Rußland nicht nur »unseren Partnern« eins aufs Auge gab, sondern auch den Terroristen, die sie in Syrien unterstĂŒtzt hatten, war unsere EntzĂŒckung grenzenlos. Zum ersten Mal nach so vielen Jahren verspĂŒrten die Menschen ein Aufstehen; nach den verfluchten 1990ern können wir nun alles schaffen!

Rußland kann ein echter souverĂ€ner Staat sein, unabhĂ€ngig von westlicher Hegemonie. Es kann seine eigenen Probleme selbst lösen. Es kann seine eigenen Freunde und Alliierten aussuchen und seine eigene Zukunft aufbauen. Es gab nur eins, das dies in der Vergangenheit verhinderte: die weltweite Großwetterlage.

Energiepreise schossen hoch, kurz vor und kurz nach der Krise von 2008. Hunderte von Milliarden an Petrodollarn flossen nach Rußland, Geld machte Geld, und Mahnungen, fĂŒr schlechte Zeiten zu sparen, wurden nur aus dem Kreml vernommen. Und trotz der wachsenden Opposition und TrĂ€gern von weißen Schleifchen investierte er in Modernisierung und in eine Armee eines neuen Typus.

Geld sparen ist das eine, aber ein Neuaufbau der Wirtschaft in einem neuen Stil ist das andere. Ja, staatliche Förderprogramme wurden seit den 2000ern modernisiert. Ja, wir hatten damit begonnen, wichtige Industrien aus der Ukraine heimzuholen, als dort der erste Staatsstreich stattfand. Aber es ging sehr langsam, denn die private Wirtschaft machte Gewinne und hatte kein Interesse an völliger Autonomie. Das war sogar ein Ding der Unmöglichkeit – jeder trĂ€umte davon, sein Zeug im Ausland zu verkaufen, zu exportieren.

Dann verhĂ€ngten sie die Sanktionen. Jeder spĂŒrte sie und gewöhnte sich an die negativen Folgen. Aber diesen Winter stellte sich plötzlich heraus: Der Preis fĂŒr Schweinefleisch ist gefallen! Unglaublich, aber wahr. Der Autor dieser Zeilen war entsetzt, als er nach einem Jahr nach Rußland zurĂŒckkam und statt 320 nur noch 260 Rubel fĂŒr knochenloses HĂ€hnchenbein. Es stellte sich raus: Rußland kann Landwirtschaft!

Nicht nur war es in der Lage, Schweine zu zĂŒchten, sondern seine Wirtschaft nahezu vollstĂ€ndig auf Selbstversorgung umzustellen, was den Westen zu Tode erschreckt. NatĂŒrlich sind komplexe High-Tech-Industrien nicht das gleiche wie Schweinezucht — sie kann nicht in einem oder in zwei Jahren entstehen. Nichtsdestotrotz sind es nicht wir, sondern die Amis, die gezwungen sind, ihre Sanktionen schrittweise zurĂŒckzufahren. Das 180er Raketentriebwerk etwa, das die USA brauchen, ehe sie in der Lage sein werden, selbst eins zu bauen, ist nur ein Beispiel.

Sanktionen und Rubelabwertung hatten noch eine andere unerwartete Folge. China verstand, daß es profitabel ist, die Produktion in den Fernen Osten Rußlands auszulagern, nĂ€her an gĂŒnstigen Rohstoffen und gĂŒnstiger Energie. Eine ganze Reihe von Staaten, die die verschiedenen MĂ€rkte Rußlands dominierten, machte Platz fĂŒr neue Marktteilnehmer, als die USA und ihre Vasallen das Feld rĂ€umten.

Zwei Jahre Sanktionen und billiges Öl stellten sich als ein Vorteil heraus, von dem zuvor nur getrĂ€umt werden konnte. WĂ€re es nicht so gekommen, Rußland steckte in fĂŒr 20 Jahre in den westlichen MĂ€rkten fest, mit teurem Öl und 30 Rubel/Dollar, wobei Selbstversorgung und wirtschaftliche UnabhĂ€ngigkeit außer Frage stĂŒnden.

Wir haben’s fast geschafft. Obwohl es hart wird (wann war es denn jemals leicht fĂŒr die Russen?), können wir noch ein paar Jahre an Sanktionen gut gebrauchen. Ein paar Jahre, die Rußland braucht, nicht um absolute Autarkie herzustellen, sondern fĂŒr eine sinnvolle Begrenzung des Außenhandels auf nicht-kritische GĂŒter. Bananen, zum Beispiel. Oder andere exotische Produkte, die nicht in Rußland wachsen.

Inzwischen wurde es profitabler, Automobile in Rußland zu fertigen, ebenso, Hochtechnologie anzusiedeln. Die Zeit wird kommen, wo die EU Rußland nach gegenseitig nĂŒtzlicher Kooperation fragen wird. Aber fĂŒr jetzt ist es besser, wenn jeder bleibt, wo er ist. Laßt die EU Millionen von Moslems aus Asien und Afrika aufnehmen, Milliarden fĂŒr die »europĂ€ische Einheit« ausgeben und ihren Kampf gegen den Übersee-VerbĂŒndeten um ein paar unabhĂ€ngige Entscheidungen.

Rußland wird mit und unter dem Sanktionsregime leben und sich an seine neue Rolle in der Welt gewöhnen, aus sich selbst erschaffen, nach seinem eigenen Geschmack.

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Gruss an Teddy

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Heute findet im kleine Ort Telmanowo in der NĂ€he von Donezk , den manche vielleicht aus der Liste der regelmĂ€ĂŸigen Ziele ukrainischen Beschusses kennen, eine Gedenkfeier statt. Anlass dazu ist der 130. Geburtstag des Mannes, nach dem dieser Ort benannt ist: der deutsche Kommunist Ernst ThĂ€lmann.

Was die Kiewer Regierung mit ihren Truppen dort gerne tĂ€te, die Spuren ThĂ€lmanns zu verwischen, was ihr dort aber nicht gelingen wird, hat im ‘wiedervereinigten’ Deutschland lĂ€ngst stattgefunden. DenkmĂ€ler, GedenkstĂ€tten, Straßennamen wurden bis auf wenige Reste konsequent getilgt. Weil ThĂ€lmann, den die Nazis nie vor Gericht zu stellen wagten, in elf Jahren Gefangenschaft nicht zu beugen war; und weil er fĂŒr die Möglichkeit eines anderen Deutschland stand und steht.  Dass der Versuch, diese Erinnerung auszulöschen, nur das vollendet, was die Nazis begonnen haben, hat die Herrschenden dieser Republik nie angefochten.

thaelmann_plakatZweimal kandidierte ThĂ€lmann als Vorsitzender der KPD in der Weimarer Republik bei der ReichsprĂ€sidentenwahl. Bei der zweiten Wahl lautete die Losung “Wer Hindenburg wĂ€hlt, wĂ€hlt Hitler. Wer Hitler wĂ€hlt, wĂ€hlt Krieg”. Wie richtig diese Losung war, bewies die Geschichte.

FĂŒr die Bundesrepublik, das Land der Oligarchen aus Banken und Konzernen, ist ThĂ€lmann noch immer der Feind; der Hamburger Hafenarbeiter, der die grĂ¶ĂŸte kommunistische Partei außerhalb der Sowjetunion fĂŒhrte. Am Umgang mit ihm wie mit dem GedĂ€chtnis an andere kommunistische WiderstandskĂ€mpfer erweist sich, dass der Antifaschismus, den die bundesdeutsche Politik behauptet, eine Farce ist. WĂ€re er ernst gemeint, mĂŒsste der Name ThĂ€lmanns mindestens ebenso geehrt werden wie die Namen jener abtrĂŒnnigen HitlergenerĂ€le des 20. Juni.

File:Ernst Thaelmann Berlin.JPEG
Dieses noch erhaltene Denkmal steht auf einem Sockel aus ukrainischem Marmor (Foto von SpreeTom, Quelle: Wikimedia)

Die deutschen KÀmpfer der internationalen Brigaden in Spanien kÀmpften unter seinem Namen. Sie verteidigten die spanische Republik gegen den faschistischen Putsch Francos, neben Franzosen, Italienern, Amerikanern.

Wenn heute in Telmanowo seiner gedacht wird, ist das genau der richtige Ort, an der richtigen Front – dort, wo sein Geist lebt und im tĂ€glichen Handeln zu finden ist.

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